Justiz: Grabenkampf um Gerichtsgutachter

presse-logoGerichtsgutachter werden mitunter als „heimliche Richter“ bezeichnet. Im Strafverfahren sorgt ihre Bestellung regelmäßig für Aufruhr. Ein Symposium griff die Probleme auf.

von MANFRED SEEH (Die Presse)

Kurz die Grundproblematik: Seit der Staatsanwalt Leiter der Ermittlungen ist (eine Aufgabe, die früher in großen Fällen dem – mittlerweile abgeschafften – U-Richter zukam), bestellt folgerichtig auch der Staatsanwalt den Gutachter. Er ist es auch, der die Fragestellung ausarbeitet und somit den Gutachter führt. Nach Abschluss der Ermittlungen kommt es (wenn die Sache nicht eingestellt wird) zur Verhandlung. In aller Regel wird dann der Gutachter – also jene Person, die dem Staatsanwalt das Schreiben einer Anklage ermöglicht hat – vom Gericht zum offiziellen Gerichtsgutachter geadelt.

Und hier komme es laut Experten zur Kollision mit der im Verfassungsrang stehenden Menschenrechtskonvention. Dort ist nämlich das Recht auf ein faires Verfahren (fair trial) verankert. So müssen Entlastungszeugen, also Zeugen der Verteidigung, unter denselben Bedingungen wie Belastungszeugen (als solche könnte man die Gutachter sehen) geladen werden.

BRISANTE ENTSCHEIDUNG

Der Oberste Gerichtshof macht derzeit mit einer brisanten Entscheidung (12 Os 90/13x-17) von sich reden: Wenn ein vom Staatsanwalt bestellter Gutachter keinen klaren Auftrag hat und daher erst nach Verdachtsmomenten suchen muss, wird er quasi zu einem Ermittlungsorgan. Diese Art der Vorbefassung ist sehr wohl ein Befangenheitsgrund. Das Gericht muss dann das entstandene Ungleichgewicht austarieren und für den Prozess einen neuen Sachverständigen bestellen.

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