Eine vernünftige Föderalismusreform könnte Einsparungen im Multimilliardenbereich bringen – und damit Steuerdiskussionen für längere Zeit obsolet machen. Ein echter Jammer, dass daraus wohl wieder nichts wird.
Josef Urschitz / Die Presse
Große Reformansätze sind nicht zu erwarten“, schrieb „Die Presse“ gestern angesichts des Koalitions-Verhandlungsteams zum Thema Staatsreform. Das wird so sein, ist aber ein Jammer. Denn Experten schätzen das Einsparungspotenzial einer vernünftigen Föderalismusreform (die große Kostenauswirkungen etwa in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Förderwesen hätte) auf vier bis 16 Mrd. Euro jährlich. Wenn es vernünftig gemacht wird, dürfte das Potenzial eher nahe der höheren Ziffer liegen – und dann bräuchten wir wohl lange nicht mehr über neue und/oder höhere Steuern reden.
Im Konjunktiv steht dieser Satz deshalb, weil dieses mutwillig brachgelegte Potenzial in der derzeitigen Realverfassung nicht hebbar ist. Da stehen die gewachsenen, von den Ländern erbittert verteidigten Strukturen im Wege.
Die sehen so aus:
•Bund und Länder haben keine klare Kompetenzaufteilung. Diese ist überhaupt, wie der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger im kürzlich im Verlag Holzhausen erschienenen Buch „Österreich 2050“ schreibt, „insgesamt extrem kleinteilig, kasuistisch und lässt kein Konzept erkennen“.
•Das führt zu unglaublich vielen, unglaublich teuren Parallelstrukturen wie etwa neun Bauordnungen. Die Unsinnigste: Muss eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, dann erfordert das nicht nur einen Nationalratsbeschluss, sondern auch noch neun Landtagsbeschlüsse über neun Landesgesetze.
•Durch die Praxis des Finanzausgleichs sind Einnahmen- und Ausgabenverantwortung entkoppelt: Der Bund zahlt (etwa bei den Landeslehrern), und die Länder schaufeln das Geld dann hinaus. So etwas hat noch nirgends funktioniert.
•Im Bereich des Förderwesens gibt es, wieder laut Öhlinger, ein „weitgehend unkoordiniertes und vielfach intransparentes Nebeneinander“. In dem, ganz nebenbei, jährlich 15 Mrd. Euro unkoordiniert und intransparent versickern. Doppelt so viel wie im EU-Schnitt.
•Die Finanzgebarung der Länder ist undurchschaubar, einheitliche Buchhaltungsregeln gibt es nicht.
An letzterem Punkt zeigt sich auch, woran das System wirklich krankt: Theoretisch könnte die Finanzministerin einheitliche Rechnungssysteme einfach verfügen. In der Praxis ist aber nicht die Regierung das Machtzentrum der Republik, sondern die Landeshauptleutekonferenz. Ein Organ, das sich sozusagen außerhalb des Verfassungsbogens bewegt. Dort ist es nämlich nicht vorgesehen.
Diese irrwitzige Geldvernichtungsmaschine lässt sich nicht mit halblustigen Teilvorschlägen wie etwa der jüngst von der „Westachse“ erhobenen Forderung nach einer Verlagerung von Ministerien in die Bundesländer stoppen. Sondern nur mit einer umfassenden Systemreparatur. Die muss nicht zwangsläufig zu einer Zentralisierung führen. Sehr wohl aber zu einer Kompetenzentflechtung zwischen Bund und Ländern und einer klaren Zuordnung von Verantwortlichkeiten. Expertenvorschläge dafür liegen längst vor. Im Wesentlichen laufen sie darauf hinaus, die Gesetzgebung beim Bund zu konzentrieren, um den wirklich schwachsinnigen Gesetzgebungsfaktor 10 in einem Land mit der Einwohnerzahl einer mittelgroßen chinesischen Provinzstadt zu verhindern. Die Verwaltung würde dagegen schwerpunktmäßig in die Länder übersiedeln. Der Bund wäre dann eine Art strategische Holding, die die Ziele vorgibt, die Länder würden diese bürgernah umsetzen.
Das Ganze würde natürlich nur funktionieren, wenn auch die Finanzverfassung entflochten würde. Mit weitgehender Steuerhoheit für die Länder, aber natürlich auch mit der weitgehenden Finanzverantwortung.
Ja – und den Bundesrat, der sich von der Länderkammer zum Abstellkammerl für gescheiterte Landespolitiker à la Dörfler entwickelt hat, könnte man sich dann natürlich auch sparen.
Insgesamt schlummert in einer Staatsreform, wie gesagt, ein Sparpotenzial im Multimilliardenbereich, bei gleichzeitiger Verbesserung der Verwaltungsabläufe. Wenn die neue Koalition da wieder nichts zustande bringt, dann sollte man ihren Akteuren spätestens bei der nächsten Steuererhöhung die „schubladisierten“ Expertenkonzepte um die Ohren hauen.