Richterliche Ethik als Arbeitsschwerpunkt am 17. Deutschen Verwaltungsgerichtstag in Münster
Auch Richterinnen und Richter können sich der aktuellen Wertediskussion, ausgelöst durch die rapiden gesellschaftspolitischen und technologischen Entwicklungen, nicht entziehen. Dies zeigten die beiden Arbeitskreise zur richterlichen Ethik, welche im Rahmen des 17. Deutschen Verwaltungsgerichtstages vom 5. bis 7. Juni 2013 in Münster stattfanden, sehr deutlich.
Um die Thematik möglichst breit zu diskutieren, wurde von den deutschen Veranstaltern in Zusammenarbeit mit der Europäischen Vereinigung der Verwaltungsrichter ein deutschsprachiger Arbeitskreis mit einem Vortrag von Univ.Prof. Dr. Fabian Wittreck, und ein Arbeitskreis in englischer Sprache mit einem Vortrag des schwedischen Richters Thed Adelswärd (Senatspräsident am County Court Malmö), organisiert.
In der Vorträgen wurde herausgearbeitet, dass in drei verschieden Konzepte dafür gibt, um richterliche Ethik zu definieren: Im anglo- amerikanischen Rechtskreis bestehen ethische Verhaltensregeln, welche von der Anwaltsvereinigung ausgearbeitet werden (!), die gleichzeitig Grundlage für disziplinäre Maßnahmen bei Zuwiderhandeln bilden. In Frankreich und Italien besteht eine sogenannte „Pflichtenethik“ -, die mehr allgemeine Verhaltensregeln beinhalten als disziplinäre Grundsätze. Der skandinavische Ansatz verfolgt die Zielsetzung, den Richter in die Lage zu versetzen, sein eigenes Verhalten zu reflektieren. Dazu wurde auf Grundlage der „Bangalore-Principles“ der Vereinten Nationen ein Fragebogen erarbeitet. Einhelligkeit bestand darin, dass ein Ethik-Kodex von den Richtern selbst zu erarbeiten ist und nicht oktroyiert werden soll.
Anforderung an die richterliche Ethik werden nunmehr im europäischen Raum, ausgehend von den USA, seit etlichen Jahren intensiv diskutiert, wobei eines der Ziele die Verankerung eines einheitlichen Berufsethos ist. Nach dem Inhalt der Vorträge sei Ziel aller Konzepte die Stärkung des Vertrauens der Rechtsunterworfenen, es gelte jedoch den besonderen Kontext der richterlichen Tätigkeit zu beachten, die in einer objektiven und subjektiven Machtasymmetrie zwischen Bürger und Richter bestünde und darüber hinaus die Gerechtigkeitserwartungen der Bürger mit den (legitimen) Leistungen der Rechtsprechung nicht immer übereinstimmen könnten. Diese Machtasymmetrie bestehe aber auch innerhalb des Gerichts, dort wo ein Richter eine Vorgesetztenposition gegenüber anderen Richtern ausübt. Diese vorsitzenden Richter – wie auch die Gerichtspräsidenten – treffe eine besondere Verpflichtung zur Anleitung zur Unabhängigkeit. Das Klima bei Gericht soll eine Sozialisation als Richter jenseits der Zahlen ermöglichen.
Diskutiert wurden in den Arbeitskreisen folgende konkrete Fragestellungen :
– Ist eine facebook-Freundschaft einer Person, die das Richteramt ausübt, mit einer Partei des Verfahrens ethisch vertretbar?
– Wie weit dürfen Anleitungen an Parteien gehen? Dies unter Annahme eines sich in den letzten Jahrzehnten hin geänderten Richterbildes, hin zu einem „fürsorglichen Richter“?
– Ist die Mitgliedschaft in Gewerkschaften oder politischen Organisationen ethisch hinterfragbar?
– Inwieweit ist die Meinungsäußerungsfreiheit der das Richteramt ausübenden Person beschränkt?
– Inwieweit sind sonstige Nebentätigkeiten einer das Richteramt ausübenden Person moralisch vertretbar mit dem Richteramt?
– Besteht eine ethische Pflicht zum wertschätzenden Umgang unter Richterkollegen und mit Parteien des Verfahrens?
Neben der richterlichen Ethik wurden in 11 weiteren Arbeitskreisen unterschiedliche inhaltliche und prozessuale Rechtsthemen erörtert, insbesondere auch Fragen des elektronischen Verwaltungsprozesses.
Edith Zeller/Susanna Gamauf-Boigner