12. Covid 19-Gesetz: Auch Verwaltungs- und verwaltungsgerichtliche Verfahren per Videokonferenz

Behörden und Verwaltungsgerichte werden ab Mai wieder den Betrieb hochfahren. Die dafür nötigen rechtlichen Grundlagen bringt das 12. Covid-19-Gesetz, welches gestern im Nationalrat beschlossen wurde.

Konkreten werden damit u.a. das Zustellungsgesetz sowie das im März beschlossene verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz adaptiert, insbesondere was Vorgaben für Behörden in Bezug auf die Durchführung von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren in der derzeitigen Ausnahmesituation betrifft.

Die Geltung der abgeänderten Verfahrensvorschriften ist mit 31.12.2020 befristet.

Unter anderem geht es dabei um Einschränkungen des mündlichen Verkehrs zwischen Behörde, Parteien und anderen Beteiligten, den forcierten Einsatz von Videotechnologie auch bei mündlichen Verhandlungen und Vernehmungen sowie um Verhaltensmaßregeln in jenen Fällen, wo die physische Anwesenheit von Personen erforderlich ist, etwa bei Lokalaugenscheinen. Zudem sollen spezielle Bestimmungen gewährleisten, dass auch die Rechte von Personen, die über keine technischen Einrichtungen zur Teilnahme an audiovisuellen Verhandlungen verfügen, gewahrt bleiben.

Diese Regelungen gelten sinngemäß auch für die Verwaltungsgerichte.

Die Opposition hält dies – mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – für höchst bedenklich. Für Edtstadler ist es aber vertretbar, Amtshandlungen auch in Abwesenheit betroffener Personen durchzuführen, zumal ihre nachträgliche Einbindung gewährleistet sei. (Siehe dazu: Parlamentskorrespondenz Nr. 363 vom 23.04.2020)

Justiz: Möglichkeit der Einvernahme durch Video wird erweitert, auch nicht dringende Verhandlungen wieder erlaubt

Vor allem bei Zivilprozessen ist es durch die geltenden Einschränkungen für Gerichtsverfahren zu einem Rückstau gekommen. Mit dem 8. Covid 19-Gesetz soll dieser nun durch das schrittweise Hochfahren des Justizbetriebs sukzessive wieder abgebaut werden. Allerdings mangelt es an großen Verhandlungssälen, daher sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, auch die verpflichtenden mündlichen Verhandlungen bei Zivilprozessen per Videotechnologie durchzuführen.

Voraussetzung ist, dass die Verfahrensparteien zustimmen und die nötige Ausstattung haben, wobei sie laut Erläuterungen nicht dazu verpflichtet sind, diese anzuschaffen. Auch technische Störungen werden den Verfahrensbeteiligten nicht angelastet. Außerdem wird es möglich sein, die Zahl der Personen im Verhandlungsraum durch Zuschaltungen aus anderen Räumen im selben Gerichtsgebäude zu minimieren. Auch die Video-Befragung von Zeugen, Sachverständigen, DolmetscherInnen und anderen Beteiligten wird mit der Novelle gestattet.

Opposition pocht auf physische Anwesenheit von Angeklagten bei Strafprozessen

Im Mittelpunkt der Debatte zum 8. COVID-19-Gesetz standen im Parlament allerdings nicht Zivil-, sondern Strafverfahren. NEOS, SPÖ und FPÖ sehen es kritisch, dass Angeklagte bei Hauptverhandlungen per Video zugeschaltet werden können, und beantragten in diesem Sinn eine Änderung der Strafprozessordnung. Demnach sollen Prozesse nur dann ohne physische Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden dürfen, wenn der Angeklagte ausdrücklich zugestimmt hat.

Vor allem bei Prozessen mit hoher Strafdrohung, etwa Geschworenenprozessen, sei eine Videozuschaltung von Angeklagten bedenklich, machten NEOS, SPÖ und FPÖ geltend. Sie sehen dadurch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt, etwa was das Gebot der Unmittelbarkeit von Verfahren betrifft. Gerade im Strafverfahren müsse diese Unmittelbarkeit gewährleistet sein, betonte Harald Stefan (FPÖ). Ein Zustimmungsrecht des Angeklagten würde nach Meinung von Selma Yildirim (SPÖ) sowohl mehr Rechtssicherheit als auch mehr Rechtsfrieden bringen. Die Gefahr, dass das Coronavirus nach Verhandlungen in Haftanstalten eingeschleppt werden könnte, sehen Johannes Margreiter (NEOS) und Petra Bayr (SPÖ) nicht, mit entsprechenden Vorkehrungen könnte dem vorgebeugt werden.

Auch den Einwand der Koalitionsparteien, dass Videozuschaltungen bei schweren Straftaten in der Praxis wohl ohnehin nur in Ausnahmefällen vorkommen werden, ließ die Opposition nicht gelten. Die Wahrung von Grundrechten dürfe nicht vom Goodwill der zuständigen RichterInnen abhängen, sagte Nikolaus Scherak (NEOS). Für ihn zeigt sich einmal mehr, dass Grund- und Freiheitsrechte für die Grünen offenbar nur in „Schönwetterzeiten“ relevant seien.

Gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention gebe es nicht nur ein Recht auf öffentliche Verhandlung, sondern auch ein Recht auf ein schnelles Verfahren, hielt Georg Bürstmayr (Grüne) der Opposition entgegen. Diese beiden Grundrechte gelte es stets abzuwägen. ÖVP und Grüne glauben in diesem Sinn nicht, dass RichterInnen in Prozessen mit hoher Strafdrohung auf Videozuschaltungen zurückgreifen: Niemand wolle eine Nichtigkeit des Verfahrens riskieren, machten sowohl Gudrun Kugler (ÖVP) als auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) geltend. Sie habe vollstes Vertrauen in die Justiz, sagte Prammer. Bürstmayr wies zudem darauf hin, dass es eine tragfähige Begründung für derartige Verhandlungen brauche, grundsätzlich hätten Verhandlungen in Anwesenheit des Angeklagten Vorrang (siehe dazu: Parlamentskorrespondenz Nr. 372 vom 24.04.2020)

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