Vor zahlreichem Fachpublikum, allen voran der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Gerhart Holzinger, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Clemens Jabloner, und der Wiener Magistratsdirektor, Erich Hechtner, fand gestern Im Wiener Rathaus eine Veranstaltung der Wiener Juristischen Gesellschaft zum Thema „Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit: – Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof“ statt.
Der Präsident der Gesellschaft, Walter Barfuß, zeigte sich in seiner Eröffnung erfreut über das große Interesse. Erstmals seit Bestehen der Gesellschaft sei es notwendig gewesen, in den großen Festsaal des Wiener Rathauses auszuweichen.
Der Vortragender, der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Gerhard Hesse, skizzierte schwerpunktartig das Verfahrensrecht vor den Verwaltungsgerichten. Die Entscheidung, für das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte das System des AVG beizubehalten, erachte er als sachlich richtig. Das neue Verfahrensrecht müsse sich nun auch im Massenverfahren bewähren. Die im Rahmen der Gerichtsreform und den damit verbundenen Rechtsanpassungen möglichen verwaltungsreformatorischen Maßnahmen seien leider weitgehend der kurzen Legisvakanz zum Opfer gefallen.
Es sei versucht worden, schon im Hinblick auf den fehlenden Anwaltszwang, den Zugang zu den Verwaltungsgerichten möglichst niederschwellig zu halten und keine Barrieren zu errichten. So sei es, anders als bisher bei der VwGH-Beschwerde, nicht erforderlich, die Beschwerdepunkte zu benennen und das verletze Recht zu bezeichnen. Gegenüber der schon bisher bestehenden Begründungspflicht der Berufung werde daher diesbezüglich auch in Hinkunft kein wesentlicher Unterschied bestehen. Dies sei auch in Bericht des Verfassungsausschusses zum Ausdruck gebracht worden. Allein der Prüfungsumfang durch das Gericht sei künftig darauf beschränkt, was vorgebracht wurde. Dies sei die Konsequenz daraus, dass nun an die Stelle der Kontrolle der Erstbehörde durch die Oberbehörde eine gerichtliche Überprüfung der Verwaltungsentscheidung tritt.
Zur Ausbildung der Verwaltungsrichter befragt führte er aus, eine einheitliche Ausbildung der Verwaltungsrichter sei anzustreben. Es sei jedoch auch in Zukunft ausgeschlossen, dass die Rekrutierung der Verwaltungsrichter ausschließlich auf der Schiene der Justizrichter erfolgen könne. Dies schon deshalb, da Verwaltungsgerichte immer Rechtsmittelgerichte seien, und kein Justizichter seine Laufbahn beim Rechtsmittelgericht, sondern als Anwärter beim Bezirksgericht beginne.
Jabloner betonte in einer Wortmeldung, der Erfolg der Einführung der Verwaltungsgerichte hänge ganz wesentlich von der Qualität der Verwaltungsbehörden ab. Der funktionierende Verwaltungsstaat baue auf den Verwaltungsentscheidungen als Rechtsinstitut auf. Dass Ein Verfahren vor der Verwaltungsbehörde endet müsse die Regel, die Befassung eines Verwaltungsgerichtes die Ausnahme bleiben. Die erkennbare politische Tendenz, das ordnungsgemäße Verfahren personell ausgedünnten Verwaltungsbehörden hin zu den Verwaltungsgerichten zu verlagern, sei nicht zielführend. Dies käme einem Autohersteller gleich, der erklärt, die von ihm erzeugten Fahrzeuge seien zwar meistens kaputt, seine Serviceabteilung sei aber die beste.
Hesse pflichtete dem vollinhaltlich bei und betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Beschwerdevorentscheidung. Diese ermögliche es den Verwaltungsbehörden, um bei Jabloners Bild zu bleiben, kleinere Reparaturen quasi im Rahmen der Garantie gleich selbst durchzuführen. Die Verwaltungsbehörden seien auch nicht gehindert, für die Beschwerdevorentscheidung erforderliche Expertise einzuholen.
Kein gangbarer Weg sei es, irgendetwas ohne ordnungsgemäßes Verfahren in Form einer Entscheidung zu gießen und so das eigentliche erstinstanzliche Verfahren auf die Verwaltungsgerichte zu übertragen. Dies würde den Verwaltungsgerichthof herabstufen und die Verwaltungsgerichte von Anfang an überlasten.