Symposion „Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz“

Die Institute für Öffentliches Recht und Steuerrecht der Wirtschaftsuniversität Wien luden am 16. und 17. November 2012 zum Symposion „Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz“. Namhafte Persönlichkeiten aus Lehre, Rechtsprechung und Verwaltung referierten und diskutierten über den Stand der Vorbereitungen zur Einrichtung der neuen Verwaltungsgerichte. Einmal mehr wurde deutlich, welche gravierenden Änderungen mit dieser Reform für die gesamte staatliche Verwaltung verbunden sind.

Die Vielzahl der Vorträge ermöglicht uns nur einen Teil davon zusammengefasst zu veröffentlichen.

 Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich: 1867 – 2012 und darüber hinaus

Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner, hat in seinem Vortrag betont, dass Österreich traditionell als Verwaltungsstaat und nicht als Justizstaat gegolten hat. Prägend für die weitere Entwicklung in der 2. Republik sei dann vor allem die Judikatur des EGMR gewesen, dies insbesondere in Bezug auf die in Artikel 6 EMRK festgeschriebenen Verfahrensrechte. Wenngleich in der Rechtssprechung des Straßburger Gerichtshofes bestimmte Problemfelder, wie die rein kassatorische Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht vollends releviert worden seien, war das Verhältnis des im B-VG vorgesehene Rechtsschutzsystem und die die Rolle der Akteure im Verhältnis zu den Vorgaben der Konvention den Ausführungen von Präsident Jabloner zu Folge nicht immer friktionsfrei. So hat der EGMR wiederholt auf die Verpflichtung zur Durchführung mündlicher Verhandlungen verwiesen, einem Ansatz, dem der VwGH in den Fällen, in welchen gerichtlicher Rechtschutz nur durch ihn gewährleistet werden konnte, auch bedingt durch seine Überlastung nicht vollständig entsprechen habe können. Durch die neue Regelung werde nunmehr auf der Ebene der Verfassung Konformität mit den Vorgaben der Konvention, aber auch mit den diesbezüglichen Vorgaben des Unionsrecht, namentlich der Grundrechtecharta, hergestellt.

Zur Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Schaffung der Landesverwaltungsgerichte hat Präsident Jabloner (wie später auch Päsident Holzinger) mahnend darauf hingewiesen, dass die Unabhängigkeit der Gerichte jedenfalls gesichert sein müsse. Unter Hinweis auf das Unionsrecht hat er betont, dass die diesbezüglichen Vorgaben jedenfalls auch den Anschein der Unabhängigkeit schützen müssen. Ausdrückt gelobt hat er dabei die aus dem Bundesland Oberösterreich vorliegende Regierungsvorlage betreffend die Einrichtung eines Landesverwaltungsgerichts.

Schließlich hat Präsident Jabloner auch darauf hingewiesen, dass sich die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH sowie das Instrument der Sukzessivbeschwerde in der Praxis bewährt haben. Die Einführung einer Parallelbeschwerde erwiese sich demgegenüber auch im Sinne des Rechtschutzsuchenden als kontraproduktiv. In diesem Zusammenhang hat er insbesondere auch die aktuelle Judikatur des VfGH zur Anwendung der Rechte nach der Grundrechtecharta als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte hervorgehoben.

Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin:
Das Bundesverwaltungsgericht: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung

Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin hat zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zunächst auf die Vorgaben des B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 verwiesen, wonach das Bundes-Verfassungsgesetz einerseits zwingende Aufgabenzuweisungen vornehme, andererseits in Art. 130 Abs. 2 dem einfachen Gesetzgeber eine Spielraum betreffend die Zuweisung weiterer Materien einräume. Beschränkt werde diese Kompetenz zur Einräumung weiterer Zuständigkeiten aber insbesondere dadurch, dass auf Grundlage des Art. 130 Abs. 2 B-VG eine Zuweisung von Aufgaben zur Kontrolle nicht hoheitlichen Handels nicht zulässig wäre, was sich aus Art. 130 Abs. 5 B-VG ergebe.

Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Bundesverwaltungsgericht einerseits und den Landesverwaltungsgerichten andererseits ergebe sich aus der Verfassung selbst, welche Regeln dazu insbesondere in Art. 131 vorsehe. Besonderes Interesse verdiene dabei aber die Frage der Abgrenzung der mittelbaren von der unmittelbaren Bundesverwaltung, weil das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes erkenne, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage hat Prof. Wiederin festgehalten, dass somit nicht die abstrakte Erwähnung der Angelegenheit in Art 102 Abs. 2 B-VG von Bedeutung sei sondern der Umstand, dass die Materie tatsächlich in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werde.

In weiterer Folge ist er in seinem Vortrag der Frage nachgegangen, ob es in der Vollziehung durch den Bund nur eine mittelbare und eine unmittelbare Verwaltung gebe, oder aber weitere Handlungsformen bestehen. Dabei würden sich insbesondere die Sicherheitsverwaltung und die Selbstverwaltung als Sonderformen erweisen. Jedenfalls werde bei der Frage, wann unmittelbare Bundesverwaltung vorliege, von einem engen Begriffsverständnis auszugehen sein. Schließlich ist er auch der Frage der Zuordnung der Handlungen beliehener Privater bzw. „bundesnaher“ Organe, wie etwa den Universitäten, nachgegangen.

Univ.-Ass. Dr. Erich Pürgy:
Die Landesverwaltungsgerichte erster Instanz: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung

Univ.-Ass. Dr. Erich Pürgy beschäftigte sich eingangs seines Referats zunächst mit der Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit aus bundesstaatlicher Sicht. So wies er insbesondere auf die unionsrechtlichen Verpflichtungen in Folge der „Europäisierung“ der Verwaltung hin. Weiters entspräche die Neuordnung auch staatsreformatorischen Überlegungen. In der Einführung einer eigenen Landesverwaltungsgerichtsbarkeit sei ein wesentliches föderales Element zu erkennen.

In weiterer Folge hat er sich mit der Frage des Umfangs der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte in Bezug auf die an § 67h AVG erinnernde Regelung in § 28 Abs. 3 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) beschäftigt und ist der Frage nach der Zulässigkeit der Ermessensübung durch die Verwaltungsgerichts nachgegangen.

Zur Frage der Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte hat er sich in Anknüpfung an die Ausführungen von Univ.-Prof. Dr. Wiederin mit der mittelbaren Bundesverwaltung beschäftigt und dabei betont, dass die Zuständigkeit eines Landesverwaltungsgerichts selbst dann gegeben sei, wenn eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung durch den Bund in 1. Instanz vollzogen werde. Schließlich ergebe sich auch aus der in Art 131 Abs. 1 B-VG normierten Generalklausel eine Zuständigkeit des jeweiligen Landesverwaltungsgerichts, soweit nicht eine besondere Regelung bestehe. Dies sei bei der Frage der Zuständigkeit über Beschwerden gegen Akte der Sicherheitsverwaltung sowie von Selbstverwaltungskörpern zu berücksichtigen. Abweichend davon sehe aber schon das B-VG Möglichkeiten der Übertragung von Zuständigkeiten vor. Kritisch auseinandergesetzt hat er sich schließlich auch mit der Frage, wer zuständig für die Festlegung der Anzahl der allenfalls zu befassenden Laienrichter ist, nämlich entweder der Organisationsgesetzgeber oder aber derjenige, der für die Erlassung des jeweiligen Materiengesetzes zuständig ist.

(wird fortgesetzt)

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