EU könnte Verwaltungsgerichte erster Instanz notwendig machen

Zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. 9. 2010 (VwGH 2010/03/0051, 0055; 2009/03/0067, 0072) bergen einiges an Brisanz. Es ging um die Frage, ob die Kontrollmöglichkeit des VwGH gegen Genehmigungsbescheide des Infrastrukturministeriums (BMVIT) im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) den Rechtsschutz-Anforderungen nach der UVP-Richtlinie entspricht.

von Robert Keisler

Der VwGH verneinte dies aufgrund seiner eingeschränkten Kontrollrechte auf Tatsachenebene und konstruierte einen im UVP-Gesetz in diesen Angelegenheiten gar nicht vorgesehenen Instanzenzug an den Unabhängigen Umweltsenat. Der VwGH hegt in den beiden Entscheidungen Zweifel, ob Art. 47 GRC nicht ganz generell verlangt, dass ein Gericht mit umfassenden Kontrollbefugnissen anrufbar sein muss.

Der Anwendungsbereich dieser neuen EU-Gerichtsgarantie im nationalen Recht ist noch nicht restlos geklärt. Nach Art. 51 GRC gilt die Charta zunächst für EU-Organe, dann aber auch für die Mitgliedsstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Die Charta ist daher auch anzuwenden, wenn z. B. EU-Richtlinien in österreichisches Recht umgesetzt werden. Der VwGH hat bereits angedeutet, dass Art. 47 GRC etwa bei der Vollziehung des Bankwesengesetzes, das in weiten Teilen Richtlinien der EU umsetzt, anwendbar sein könnte Folglich müsste vor dem VwGH ein Gericht über den Entzug der Konzession einer Bank durch die FMA angerufen werden können.

Robert Keisler ist Rechtsanwalt und Experte für Vergabe- und öffentliches Recht bei CMS Reich-Rohrwig Hainz.

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