Von Prof. Dr. Jan Bergmann, Stuttgart*
Nach Art. 51 Abs. 1 GRCh gilt die gemäß Art. 6 EUV-L mit den EU- und AEU-Verträgen gleichrangige Grundrechtecharta vor allem für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union; für die Mitgliedstaaten gilt sie ausschließlich „bei der Durchführung des Rechts der Union“. Was dies auf der normativen sowie administrativen Ebene für die Mitgliedstaaten und die nationalen Gerichte im einzelnen bedeutet, ist noch nicht völlig klar.
Ob und inwieweit noch eine „Durchführung von Recht der Union“ im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh vorliegt, wenn eine Richtlinie einmal in nationales Recht umgesetzt worden ist, ist streitig.
Der EuGH tendiert eindeutig in Richtung der – praktisch einfach, rechtssicher und klar handhabbaren – Gegenmeinung, bei der das Vorliegen von Umsetzungsspielräumen irrelevant ist, nach dem Motto: „Alles Richtlinienumsetzungsrecht ist durchgeführtes Unionsrecht“.
*Der Autor ist Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sowie Honorarprofessor an der Universität Stuttgart. Überarbeitete Fassung eines Vortrags vom 29.04.2010 im Rahmen einer EU-Konferenz zum Vertrag von Lissabon in Sofia.