Eine nachvollziehbar handelnde Justiz braucht das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen.
Leserbrief zu Florian Klenk, Österreich braucht mehr Presseschutz, in Falter 15/10, über angebliche Bespitzelungen vermeintlicher Falter-Informanten durch das Justizministerium.
von Wolfgang Helm
Als in richterlicher Funktion an einem UVS tätiges Mitglied und als Staatsbürger fällt es mir schwer zu glauben, dass ein unabhängiger Richter die Beeinträchtigung des Ansehens der Justiz nicht den staatsanwaltlichen Fehlleistungen, sondern der Berichterstattung darüber zuschreibt, und dass er das öffentliche Interesse nicht höher stellt als die Geheimhaltungswünsche der ihrem öffentlichen Auftrag verpflichteten Politiker und Beamten. Diesem öffentlichen Interesse haben jene Informanten, welche jetzt offenbar ausfindig gemacht werden sollen, nämlich am besten gedient.
Dass die weder unabhängig noch öffentlich agierende Staatsanwaltschaft nunmehr verfassungsmäßig ein Teil der Justiz ist, stellt den vorläufigen Endpunkt einer zwar gut gemeinten Gesetzgebung – von der Diversion (außergerichtlicher Tatausgleich) bis zur jüngsten Strafprozessreform – dar, scheint aber im Ergebnis zu einer Art Kammerjustiz an Stelle des eigentlichen Gerichtsverfahrens zu führen. Zwar kann diese Geheimjustiz glücklicher Weise nicht – wie im Vormärz – zum Nachteil des Beschuldigten geübt werden, wohl aber zum Vorteil politisch oder wirtschaftlich maßgeblicher Verdächtiger, und damit zum Nachteil der Allgemeinheit. Ein außergerichtlicher Tatausgleich für Bankdirektoren, die im Lombardklub wirtschaftsschädigende Verabredungen getroffen haben, ist ein ebenso schwerer Sündenfall wie die Einstellung des Verfahrens gegen einen Landeshauptmann auf der Grundlage einer bisher von niemanden ernstlich vertretenen Rechtsmeinung. Wer solche Angelegenheiten einem öffentlich geführten Verfahren vor einem unabhängigen Richter entzieht, nimmt eine Schädigung des Ansehens der Gerichtsbarkeit unvermeidbar in Kauf.
Eine nachvollziehbar handelnde Justiz braucht dagegen das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen. Die unabhängige Presse stellt vielmehr ein unverzichtbares Korrektiv auch für die Justiz dar – und hat selbstverständlich das Recht, ein Urteil oder eine Verhandlungsführung ebenso zu kritisieren, wie die Amtsführung eines Politikers.
Dr. Wolfgang Helm ist Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien.