Postenschacher in Österreich – gelebte Praxis, die zur Beschädigung des Rechtsstaats und zu hohen Kosten führt

In der Steiermark wird das Auswahlverfahren für die Nachbesetzung des seit 1. Oktober 2025 im Amt befindlichen Vizepräsidenten des Landesverwaltungsgerichtes in Frage gestellt und wird die Einhaltung von europäischen Standards von den steirischen Grünen gefordert. Dieses Auswahlverfahren zeige ein problematisches Verständnis der Landesregierung von der Unabhängigkeit der Justiz, so die Grünen. Gleichzeitig wird vom Nachrichtenmagazin Profil und ORF-Politikmagazin Report erstmals der Versuch unternommen, den Postenschacher in Österreich zu vermessen.

Laut deren Recherche habe es seit 2006 205 Fälle gegeben, in denen sich öffentlich Bedienstete diskriminiert gefühlt haben und diesbezüglich auch den Rechtsweg zur Bundes-Gleichbehandlungskommission eingeschlagen haben. Der Mehrheit dieser Fälle – nämlich 107 – sei stattgegeben worden. 76 dieser Fälle seien alleine im Innenministerium festgestellt worden. Verteilt über alle Ministerien machen die Entschädigungszahlungen aufgrund des Diskriminierungsgrundes „Weltanschauung“ und Mehrfachdiskriminierung inklusive Weltanschauung laut einer parlamentarischen Anfrage mindestens 439.730,82 Euro aus.

Das sei jedoch nur die ganz kleine Spitze des Eisberges, sagt Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik, da sich nicht jeder mit seinem Dienstgeber anlegen wolle. Es handle sich dabei immer nur um jene Personen, die karrieremäßig nichts mehr zu verlieren haben. Die größeren Kosten – als aufgrund der Entschädigungszahlungen – würden dadurch entstehen, dass die Organisationen als Ganz vielleicht dysfunktionaler werden. „Eine Organisation, in der Leute sitzen, die wissen, dass ihre Vorgesetzten schlechter qualifiziert sind und wo die Vorgesetzten wissen, dass ihre Untergebenen besser qualifiziert sind als sie selbst, kann glaube ich nicht eine Kultur der vertrauensvollen Zusammenarbeit etablieren“, so der Politologe. Es müssen die Bestellmodi in der Verwaltung geändert werden.

Bettina Knötzl, Vorstandsvorsitzende von Transparency International, führt zu Fehlverhalten im Rahmen des Postenschachers aus, dass jedes ordentlichen Compliance-Management-System bei passierten Fehlern auch Konsequenzen vorsehe. Insbesondere solle sichergestellt werden, dass Fehler nicht neuerlich passieren können und brauche es bewusstseinsbildende Maßnahmen. Der Schaden am Wirtschaftsstandort Österreich durch Postenschacher betrage geschätzte 17 Milliarden Euro. Die Vetternwirtschaft in Österreich werde auch tatsächlich wahrgenommen, weshalb sich Österreich auch nur auf Platz 25 des Korruptionswahrnehmungsindex befinde.

Im ZIB Talk am 07.10.2025 führt Martin Kreutner, Antikorruptionsexperte, aus, dass Postenschacher leider gelebte Praxis sei und nicht nur eine Partei betreffe. Ein Paradigmenwechsel habe zwar schon vor Jahrzehnten stattgefunden und seien auch entsprechende gesetzliche Maßnahmen, wie Ausschreibungsgesetze, Verfahrensregelungen und Rechtsmittel, eingeführt worden, doch zeige die Praxis, dass diese durch Einflussnahme seitens der Politik umgangen werden.

Dass gerichtliche Strafverfahren kaum zu Verurteilungen der für den Postenschacher Verantwortlichen führen und auch sonst keine Konsequenzen erfolgen, die bestellte Person die Position beibehält und auch die Durchsetzung im Schadenersatzprozess sehr mühsam und mit hohem Kostenrisiko verbunden sei, werde vielfach und schon lange kritisiert. Damit werde das Vertrauen in die Institution erschüttert und schade dies dem liberalen Rechtsstaat.

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Siehe auch den Beitrag im Falter: Versuchter Postenschacher am Verwaltungsgericht: Ein Verrat, der straflos blieb

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