Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.03.2023, G 270-275/2022-15, V223-228/2022-15, sowohl Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) als auch des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) aufgehoben.
Es widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz, dass Wohnkostenpauschale und Zusatzleistungen zur Vermeidung besonderer Härtefälle ausschließlich als Sachleistung gewährt werden dürfen. Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht entgegenzutreten, wenn er bei der Ausgestaltung von Sozialhilfeleistungen das Ziel verfolgt, einer zweckwidrigen Mittelverwendung entgegenzuwirken. Der dem Gesetzgeber dabei eingeräumte Gestaltungsspielraum wird jedoch durch den Gleichheitsgrundsatz insofern beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht.
Das SH-GG aus dem Jahr 2019 differenziert in einer sachlich nicht begründbaren Weise zwischen Richtsatzleistungen gemäß § 5 Abs. 2 SH-GG und darüber hinausgehenden Leistungen gemäß § 5 Abs. 5 SH-GG. Den höheren Leistungen gemäß § 5 Abs. 5 SH-GG steht ein höherer Bedarf gegenüber, dessen Ausmaß von Umständen abhängt, die außerhalb des persönlichen Einflussbereichs der Hilfsbedürftigen liegen. Es ist für den Verfassungsgerichtshof daher nicht nachvollziehbar, wie aus der bloßen Höhe der Leistung der Schluss zu ziehen ist, dass der Bedarf nur durch Sachleistungen abgedeckt werden kann. Wie bei Richtsatzleistungen kann es auch bei darüber hinausgehenden Leistungen sachliche Gründe dafür geben, diese – vorrangig – durch Sachleistungen abzudecken. Der kategorische Ausschluss von Geldleistungen im Fall zusätzlicher Leistungen gemäß § 5 Abs. 5 SH-GG idF BGBl. I Nr. 41/2019 entbehrt aber einer sachlichen Rechtfertigung.
Vergleichbares gilt für § 6 SH-GG idF BGBl. I Nr. 41/2019: Auch hier ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum es schlechthin ausgeschlossen sein soll, dass in bestimmten Fällen auch zusätzliche Leistungen in Form von Geldleistungen zur Vermeidung besonderer Härtefälle notwendig sein können.
Das Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) sieht Leistungen in der Höhe von 75% des Richtsatzes für Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, vor. Nach dem SH-GG dürfen die monatlichen Leistungen für Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, jedoch nur maximal 70 % des Richtsatzes betragen. Der höher Satz im Wiener Mindestsicherungsgesetz verstößt gegen die im SH-GG festgelegten Höchstsätze uns ist daher verfassungswidrig. § 8 Abs. 2 Z 2 WMG, LGBl. für Wien Nr. 38/2010, idF LGBl. für Wien Nr. 2/2018, wurde daher als verfassungswidrig aufgehoben.