Verfassungsrichter/in sollte kein Nebenberuf sein

In einem Beitrag im Rechtspanorama der „Presse“ wird die Konstruktion der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit einer kritischen Überprüfung unterzogen. Konkret geht es um die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, wenn die Tätigkeit als Verfassungsrichter/in nur als Nebenberuf ausgeübt wird.

Nebentätigkeiten müssen veröffentlicht werden

In der Vergangenheit sorgten politische oder wirtschaftliche Beziehungen von Richter/innen des VfGH immer wieder für Debatten. Sie waren Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder, Aufsichtsratsvorsitzende, Gesellschafter oder Geschäftsführer von Wirtschaftstreuhänder oder Anwaltskanzleien, welche auch Fälle vor dem VfGH vertraten.

Seit dem Jahr 2015 müssen sämtliche Nebentätigkeiten von Beteiligungen an Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien, Beteiligungen an sonstigen Unternehmen, Aufsichtsratstätigkeiten bis zu Gutachtertätigkeiten veröffentlicht werden. Außerdem wurde gesetzlich verankert, dass sich Verfassungsrichter/innen enthalten und von einem Ersatzmitglied vertreten lassen müssen, wenn sie aufgrund ihres Nebenjobs befangen sein könnten.  Deutschland ist hier konsequenter: Für Richter/innen des Bundesverfassungsgerichts gilt eine andere berufliche Tätigkeit als die eines Lehrers des Rechts an einer deutschen Hochschule für unvereinbar.

Österreichische Besonderheit

Im Beitrag in der „Presse“ wird dazu vermerkt, dass die Stellung der Richter/innen des ältesten Verfassungsgerichts der Welt vor 100 Jahren bewusst offen, als „Nebentätigkeit“ ausgestaltet wurde.  So war ursprünglich in Österreich für das Richteramt am VfGH nicht einmal ein Studium der Rechtswissenschaften erforderlich (bei den Verfassungsgerichten einiger deutscher Bundesländer können bis heute auch Laien zu Verfassungsrichter/innen gewählt werden). Hingewiesen wird im Beitrag in der Presse aber auch darauf, dass eine vergleichbare Konstruktion der Verfassungsgerichtsbarkeit heute nur noch in Liechtenstein und Bayern besteht. (Hier den Beitrag in der Presse lesen …)

Wahl der Verfassungsrichter/innen durch Nationalrat?

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Christoph Grabenwarter, hat Ende letzter Woche in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ mit einem Vorschlag zur Änderung des Auswahlverfahrens für die Richter/innen des Verfassungsgerichtshofs aufhorchen lassen. Er regt an –  nach dem Vorbild anderer europäischer Länder – die Verfassungsrichter/innen vom Nationalrat nach einem Hearing mit 2/3 Mehrheit wählen zu lassen. Das würde nach Auffassung von Grabenwarter die Unabhängigkeit des Gerichtshofs stärken.

Hier geht’s zum Beitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ … 

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