Das war das 27. Maiforum (1)

Europäische Standards für die Unabhängigkeit der Justiz und die Dienstaufsicht über Richterinnen und Richter und deren Grenzen waren die Themen der beiden Fachbeiträge der Tagung im gediegenen Ambiente des Mozartsaals im Konzerthaus Klagenfurt.

David Kosař, Leiter des Judicial Studies Institute (JUSTIN) und Assistenzprofessor für Verfassungsrecht an der Rechtsfakultät der Masaryk Universität in Brünn, zeigte in seinen Vortrag am Beispiel verschiedener Justizsysteme die Entwicklung der Europäischen Standards für die Unabhängigkeit der Justiz. Nach seinen Untersuchungen handelt es sich bei der Einrichtung von Justizräten („Judicial Coucils“) als Selbstverwaltungskörper um das vorherrschende Modell in den Mitgliedsstaaten des Europarates. In den EU-Mitgliedsstaaten verfügen nur Deutschland, Tschechien und Österreich über keinen Justizrat. Laut Kosař zeigt sich daran, wie sehr Tschechien noch in der Tradition des „alten“ Österreichs verankert ist.

Die Bewertung der Justizräte muss im Zusammenhang mit den jeweiligen Rechtsstrukturen, Politischer Kultur des jeweiligen Landes erfolgen. So ist die Existenz eines Justizrates allein nicht Zeichen für eine bessere Bewertung der Unabhängigkeit des Gerichtssystems, da es auch wesentlich auf die Zusammensetzung und Bestellung des Justizrates ankommt.

Rechtsprechung macht „soft law“ verbindlich  

Ein besonderes Augenmerk legte Kosař bei seinem Vortrag auf die formelle und informelle Rolle der Gerichtspräsidenten. Ihre Rolle sei sehr stark von den jeweiligen Traditionen, der nationalen Rechtskultur, der Bestelldauer und der Hierarchie in einem Justizsystem abhängig, es zeige sich aber, dass sie in allen Systeme entscheidende Akteure seien, obwohl das nicht immer so wahrgenommen werde.

Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrages war die Entwicklung der Rechtsprechung der europäischen Gerichte (EuGH und EGMR) zur Frage der richterlichen Unabhängigkeit bzw. der Unabhängigkeit der Justiz. Er stellte dazu fest, alleine die Auswertung dieser Entscheidungen bis Ende 2021 umfasse bereits mehr als 300 Seiten. Daraus gehe klar hervor, dass Europarats-Empfehlungen, Gutachten des CCJE oder Stellungnahmen der „Venice-Commission“ oder von GRECO, die allgemein als “soft law“ bezeichnet werden, durch die Urteile der europäischen Gerichte (insbesondere zu Ungarn, Polen und Rumänien) zu „hard law““ und damit für die nationalen Justizsysteme verbindlich geworden sind. Es zeige sich aber, dass kein System davor gefeit sei, von politischen Akteuren „gekapert“ zu werden, deshalb sei es von besonderer Bedeutung, dass sich alle Beteiligten an ethische Grundsätze halten.

Dienstaufsicht ist „scharfe Waffe“

Markus Thoma, Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof, widmete sich in seinem Vortrag der österreichischen Rechtslage zur Dienstaufsicht über Richterinnen und Richter und der Frage, wie weit diese reichen darf. Generell sei festzustellen, so Thoma, dass die Dienstaufsicht über Richterinnen und Richter immer eine „scharfe Waffe“ sei, auch wenn kein förmliches Verfahren gegen eine bestimmte Person eingeleitet werde.

Thoma stellte neben den Rechtsgrundlagen auch die Rechtsprechung der Höchstgerichte dar, insbesondere zur Frage der Abgrenzung der (weisungsfreien) richterlichen Tätigkeit zur (weisungsgebundenen monokratischen) Justizverwaltung. Er bedauerte in diesem Zusammenhang, dass der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur Aufhebung der Bestimmung des § 18 VwGG und zur Weisungsgebundenheit des Präsidenten des VwGH gegenüber dem Bundeskanzler (G 19/99 vom 10.03.2000) nicht größere Bedeutung beigemessen werde. Der VwGH ist auch zur Kontrolle individueller hoheitlicher Rechtsakte sämtlicher Mitglieder der Bundesregierung, mithin auch solcher des Bundeskanzlers sowie der Bundesregierung überhaupt berufen. Ein derartiges verfassungsmäßig (bereits zum Zeitpunkt der (inhaltlichen) Erlassung des §18 VwGG) vorgegebenes Kontrollsystem erlaubt keinen wie immer gearteten effektiven Eingriff des kontrollierten Organs in die Funktion des Kontrollierenden; eine solche Annahme bedeutete nämlich geradezu eine Umkehrung der Kontrollrichtung und erwiese sich als schlechthin systemwidrig.

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