Impfpflichtgesetz und Verlängerung des Lockdowns für Ungeimpfte beschlossen

Am Donnerstag stimmte auch im Nationalrat eine große Mehrheit für den Initiativantrag von ÖVP und Grünen, der nach Durchführung eines Expertenhearings im Gesundheitsausschuss in wesentlichen Punkten aber noch angepasst wurde. Die FPÖ übte bis zuletzt scharfe Kritik am Vorhaben und verlangte auch eine namentliche Abstimmung, die nach einer hitzigen Debatte bei 170 anwesenden Abgeordneten mit 137-Pro-Stimmen zu 33-Kontra-Stimmen ausging.

Neben den freiheitlichen MandatarInnen lehnten somit auch noch SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch sowie die vier NEOS-Abgeordneten Fiona Fiedler, Stephanie Krisper, Gerald Loacker und Johannes Margreiter die COVID-19-Impfpflicht ab. Auf Basis eines Entschließungsantrags von ÖVP, Grünen und SPÖ wurde auch ein sogenanntes Anreiz- und Belohnungspaket beschlossen, das u.a. eine Impflotterie und Zuschüsse für Gemeinden bis zu 375 Mio. € enthält. Mehrheitliche Zustimmung fand zudem ein Abänderungsantrag zum COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG), in dem das begleitende Monitoring noch einmal spezifiziert wurde.

Die zentralen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf betreffen die Anhebung der Altersgrenze für die allgemeine Impfpflicht auf 18 Jahre, die stufenweise Umsetzung in drei Phasen, die Ausstellung von Attesten für Ausnahmen von der Impfpflicht (Schwangere, Genesene, medizinische Gründe) durch Amts-, EpidemieärztInnen und spezielle Ambulanzen sowie das begleitende Monitoring durch eine Kommission im Bundeskanzleramt, um auf das Pandemiegeschehen flexibel reagieren zu können. Das Gesetz räumt zudem dem Gesundheitsminister und der Bundesregierung im Rahmen von Verordnungsermächtigungen viel Spielraum ein, was etwa die Voraussetzungen für die Erfüllung der Impfpflicht, die Festlegung der relevanten Stichtage oder den Beginn der – falls notwendig – dritten Phase anbelangt, in der die Strafverfügungen in der Höhe von 600 € bis 3.600 € automatisiert versandt werden sollen. In der Eingangsphase bis 15. März 2022 gibt es noch keine Kontrollen und Strafen, danach kann die Polizei im Zuge ihrer normalen Tätigkeiten auch den Impfstatus erfragen.

Mückstein: Impfpflichtgesetz soll vor künftigen Wellen und Virusvarianten schützen

Mit dem COVID-19-Impfpflichtgesetz habe man erstmals einen großen und nachhaltigen Hebel im Kampf gegen die Pandemie in der Hand, zeigte sich Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein über den heutigen Beschluss erfreut. Ziel dieser wichtigen Maßnahme sei es, einen Schutz vor künftigen Wellen bzw. neuen Virusvarianten zu schaffen. Besonders positiv bewertete der Ressortchef den Entstehungsprozess des Entwurfs, bei dem breite Teile der Gesellschaft eingebunden wurden. Sein Dank galt auch der SPÖ und den NEOS für die konstruktive Zusammenarbeit. Bei der Impfpflicht stehe für ihn der Solidaritätsgedanke im Mittelpunkt, denn die Impfung rette nachweislich Leben. Gerade der dritte Stich sei wichtig, weil er vor schweren Krankheitsverläufen auch bei der Omikron-Variante schütze. Man müsse endlich aus dem Kreislauf des Auf- und Zusperrens herauskommen.

Fahrplan

Nun liegt der Ball beim Bundesrat, der am 3. Februar zusammentritt.

Sobald die Pläne beschlossen sind, soll die Impfpflicht stufenweise eingeführt werden. Am 3. Februar tritt das Gesetz in Kraft, dann sollen Personen ab 18 Jahren zur Impfung aufgefordert werden. Ausnahmen gibt es für Schwangere und Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, wobei das ein ärztliches Attest voraussetzt.

Kontrolliert wird im nächsten Schritt ab Mitte März. Die Polizei kann stichprobenartig in der Öffentlichkeit einen Nachweis fordern – etwa bei Straßenkontrollen. Grundsätzlich sind Impfzertifikate nur mit Ausweis gültig. Zwar gibt es hierzulande keine generelle Ausweispflicht, allerdings dürfen Beamte kontrollierte Personen zur Identitätsfeststellung zur nächstgelegenen Polizeistation mitnehmen.

Ohne Stich drohen bis zu 600 Euro Strafe, es sei denn, man impft sich innerhalb von zwei Wochen. Im ordentlichen Verfahren, etwa, nach einem Einspruch, geht die Strafe sogar bis zu 3600 Euro. Die Geldstrafen sollen maximal viermal im Jahr verhängt werden.

Automatische Kontrollen und Strafen

Auch eine dritte Phase wird erwogen, wobei die Regierung offenlässt, wann es zu der finalen Ausweitung des Gesetzes kommt. Dann soll automatisch kontrolliert und Strafverfügungen versendet werden. Die dafür notwendige technische Infrastruktur dürfte jedoch erst ab April zur Verfügung stehen.

Der Fahrplan scheint also fixiert – zumindest in Teilen könnte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das noch ändern. „Dass dieser das gesamte Gesetz kippt, ist höchst fraglich“, sagt der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger. Wahrscheinlicher sei, dass einzelne Punkte aufgehoben werden. Unter Juristen umstritten ist etwa, dass Strafen höher werden können, wenn Betroffene Einspruch erheben.

Drittelbeschwerde unwahrscheinlich

Eine Möglichkeit, ein Verfahren gegen die Impfpflicht anzustreben, ist eine Drittelbeschwerde. Dabei muss sich ein Drittel des Parlaments an das Höchstgericht wenden. Das gilt als unwahrscheinlich, da die Opposition bis auf die FPÖ das Gesetz aktuell mitträgt.

Denkbar ist auch, dass ein Verfahren durch Einzelpersonen zustande kommt. Insgesamt seien die finanziellen Hürden für einen derartigen Prozess überschaubar, sagt der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk zum STANDARD. Eine Individualbeschwerde „kann beim VfGH beantragt werden, wenn ein Gesetz potenziell die eigenen Rechte in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt“, sagt der Experte. Insgesamt hält Funk es aber für unwahrscheinlich, dass eine derartige Beschwerde akzeptiert wird, wobei es auf den Einzelfall ankäme.

Strafverfahren anfechten

Alternativ könnten Einzelpersonen ihr Strafverfahren anfechten, sagt Funk. Beispielsweise könnten Betroffene nach der ersten Strafverfügung (600 Euro) Einspruch einlegen. Oder sie könnten auf ein Strafverfahren warten (bis 3600 Euro) und dieses wegen des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit beim VfGH anfechten.

So oder so könnte die Beschwerdeführung gegen die Impfpflicht zur Zeitfrage werden. Bußjäger geht davon aus, dass sich der VfGH eher erst im Herbst mit dem neuen Gesetz beschäftigen wird. Wenn man davon ausgehe, dass die ersten Strafbescheide Mitte März ausgestellt werden, seien zunächst Fristen einzuhalten. Schließlich hätten Betroffene dann noch Zeit, sich zu impfen.

Bleibt es beim Strafbescheid, folgt eine vierwöchige Beschwerdefrist beim Landesverwaltungsgericht. „Wenn man dann den Aktenlauf bis zum Richter mit einberechnet, wird es wohl schon Juni sein“, glaubt Bußjäger. Nur, wenn die ersten Individualbeschwerden gegen die Impfpflicht praktisch mit Inkrafttreten eingebracht werden, sei es rein theoretisch denkbar, dass das Gesetz schon in der Juni-Session des VfGH ein Thema wird

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Wie es mit der Impfpflicht weitergeht – und ob sie noch kippen könnte

Nationalrat: Impfpflicht – nun liegt der Ball beim Bundesrat

Lockdown für Ungeimpfte verlängt, Änderung des 3G-Nachweises 

Der Hauptausschuss gab weiters am Donnerstag grünes Licht für die 7. Novelle der 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung des Gesundheitsministers (157/HA). Damit wird der Lockdown für Ungeimpfte um weitere zehn Tage bis 30. Jänner verlängert. Für die Verlängerung der Maßnahmen stimmten ÖVP und Grüne, die Opposition stimmte geschlossen dagegen. Zudem zählen nun auch Antigentests zur Eigenanwendung, die digital erfasst wurden, wieder als 3G-Nachweis.

Laut Verordnung gilt ab 21. Jänner auch ein negatives Ergebnis eines Antigentests zur Eigenanwendung (sogenannte Wohnzimmertests) wieder als 3G-Nachweis. Voraussetzung ist, dass der Test in einem behördlichen Datenverarbeitungssystem erfasst wurde. Gültig sind solche Tests wie auch Antigentests, die etwa in Apotheken oder Teststraßen durchgeführt wurden, für 24 Stunden.

Auch in Fällen, wo ein PCR-Test vorgeschrieben wäre, die Person aber glaubhaft machen kann, dass dieser etwa nicht zeitgerecht ausgewertet wurde, kann ein Wohnzimmertest vorgelegt werden. Das Bundesland Wien hat bereits angekündigt, Wohnzimmertests nicht als 3G-Nachweis zuzulassen.

7. Novelle zur 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung ….

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