Im Anlassfall hatte das Verwaltungsgericht Wien in Verwaltungsstrafverfahren nach dem Wiener Wettengesetz den Beschwerden gegen Straferkenntnisse Folge gegeben. Die Beschlagnahmebescheide und die Verfallsaussprüche wurden aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Die Entscheidungen wurden mündlich verkündet, der Magistrat der Stadt Wien beantragte eine schriftliche Ausfertigung.
Daraufhin forderte die Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte deren Ausfolgung, was vom Magistrat der Stadt Wien mit dem Hinweis verweigert wurde, die beantragte schriftliche Ausfertigung sei noch nicht zugestellt und es sei geplant, gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien eine Amtsrevision zu erheben.
Auch sei es zur Sicherung des Verfalles notwendig, der Eigentümerin die Verfügung über die beschlagnahmten Geräte zu entziehen, weil ansonsten die Gefahr bestehe, dass sie dem weiteren Zugriff der Behörde entzogen würden. Das Interesse der Eigentümerin an der vorzeitigen Rückgabe der vorläufig beschlagnahmten Wettinformationsgeräte trete hinter das öffentliche Interesse an der Sicherstellung eines etwaigen Verfalles zurück.
Ein vom Magistrat der Stadt Wien beim Verwaltungsgerichtshof gestellter Antrag, seiner Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde von diesem mit Beschluss zurückgewiesen.
Zur Herausgabe der Geräte erhob daraufhin die Eigentümerin gem. Art 137 B-VG Klage an den Verfassungsgerichtshof.
In seinem Urteil von 24. November 2020, A 69/2020, stellt der Verfassungsgerichtshof fest, der Rechtsgrund, auf den sich die Beschlagnahme und der Verfall der Geräte stützte, besteht seit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien nicht mehr. Da sich die beschlagnahmten Geräte zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage nach wie vor im Gewahrsam des Magistrates der Stadt befanden, hat die Behörde gegen die Rechtsvorschrift des § 28 Abs. 5 VwGVG verstoßen, da sie verpflichtet ist, unverzüglichen jenen Rechtszustand herzustellen, der der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entspricht, zumal dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision keine Folge gegeben worden war.
Problem: Mangelnde Akzeptanz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen durch Behörden
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs beleuchtet ein Problem, mit dem die Verwaltungsgerichte wiederholt konfrontiert sind: Die mangelnde Akzeptanz ihrer Entscheidungen durch die Behörden. Ein Phänomen, das nicht nur in Wien, aber dort besonders zu beobachten ist. So beschweren sich Anwälte immer wieder darüber, dass sich der Magistrat der Stadt Wien in Aufenthaltsverfahren weigert, die Karten für vom Verwaltungsgericht erteilte Aufenthaltstitel auszufolgen, solange nicht die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zugestellt ist.
In Mindestsicherungsverfahren wurden in der Vergangenheit gegen Gerichtsentscheidungen zwar keine Revision erhoben, aber der aufgehobene Bescheid abermals erlassen. (Siehe dazu: Wiener Magistrat ignoriert Gerichtsentscheidung mit Aktenvermerk)
Besonders deutlich bringt die Haltung des Wiener Magistrates zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ein aktueller Kommentar zum Wiener Baurecht zum Ausdruck. Im Vorwort stellen die Verfasser – darunter ein leitender Bediensteter der Bauabteilung – fest: „
„Bewusst wurde keine Judikatur des Wiener oder anderer Landesverwaltungsgerichte aufgenommen, dies aus der Überlegung, dass die Entscheidungen nicht die Richteramtsprüfungen besitzender nominell geltender Richter oft zu juristischen Diskussionen und auch – oft außerordentlichen -Revisionen führen. Die betreffende neue Verfassungsrechtslage führt uns daneben auch zu schmerzlicher Erinnerung an die frühere, wesentlich klarere Regelung…“ (Geuder/Fuchs, Wiener Baurecht, Seite V)