„Social-Media“-Plattformen und das Recht auf Meinungsfreiheit

Die Sperre von Donald Trump durch Twitter, Facebook, Amazon, Snapchat  und Co ist nicht nur ein faktischer Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, sondern auch eine eindrucksvolle Machtdemonstration der amerikanischen Big-Tech-Firmen.

Der Dokumentarfilm „The Cleaners“ führte erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen, wie in der Welt des Internets die demokratischen und rechtsstaatlichen Regeln der realen Welt durch intransparente oder geheime Guidelines der Internetkonzerne ersetzt werden. (Siehe dazu: The Cleaners“ – Zensur und Manipulation im Internet)

Internetkonzerne werden politisch aktiv

Die dauerhafte Sperre des Twitter-Accounts von US-Präsident Donald Trump durch das Unternehmen zeigt jetzt sehr anschaulich die faktische Macht von Betreibern von „Social-Media“-Plattformen, jederzeit in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit einzugreifen zu können. Zugleich ist die offenkundig konzertierte Vorgangsweise auch eine eindrucksvolle Machtdemonstration gegenüber den politischen Institutionen. Die Internetriesen, die zuletzt in den USA und Europa wegen ihrer Marktmacht und ihres laxen Vorgehens gegen Hasskommentare und Lügen selbst stark unter Druck geraten waren, sind in den vergangenen Tagen in einer beispiellosen Weise politisch aktiv geworden:

  • Twitter sperrte nicht nur Trumps Account @realDonaldTrump mit 88,7 Millionen Followern, sondern rund weitere 70.000 Konten. Auch Snapchat sperrte Trumps Konto.
  • Facebook sperrte Trumps Konten bei Facebook und Instagram, außerdem fror Facebook seine Spendenzahlungen an Politiker ein.
  • Google stoppte die Verbreitung von Trump-Videos auch auf seiner Plattform Youtube. Google kündigte darüber hinaus an, vorerst keine weiteren Spendengelder mehr an Senatoren und Kongressmitglieder zu zahlen.
  • Amazon beendete das Cloud-Hosting für die Plattform Parler, wegen einer „Zunahme der gewalttätigen Inhalte“ auf deren Seiten, die gegen Amazon-Regeln verstoßen und womöglich zu weiterer Gewalt anstacheln würden.
  • Shopify sperrte den Onlineshop des Trump-Konzerns sowie den von dessen politischer Kampagne.
  • Die Reise-Plattform „Airbnb“ kündigte eine Überprüfung seiner Konten an. Unterstützer oder Teilnehmer der gewaltsamen Proteste in Washington sollen gesperrt werden – die Namen will das seit Kurzem an der Börse notierte Unternehmen über Medien, Polizei und Strafverfolgungsbehörden bekommen. (Siehe dazu: Twitter, Facebook, Amazon, Spotify und Co stellen sich gegen Trump)

Ruf nach Regulierung der Internetkonzerne

Angesicht dieser Entwicklungen wird der Ruf nach einer Regulierung der Sozialen Medien wird lauter. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Medienberichten die dauerhafte Sperrung des Twitter-Accounts von US-Präsident Donald Trump durch das Unternehmen skeptisch beurteilt. „Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist von elementarer Bedeutung“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eingriffe könne es nur entlang der Gesetze geben, nicht aber nach Beschluss von Betreibern von Social-Media-Plattformen.

Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire verlangt, solche Entscheidungen nicht mehr Privatunternehmen zu überlassen. Er sei „schockiert“ darüber, dass Twitter diese Entscheidung habe treffen können, sagte Le Maire am Montag dem Sender France Inter. Die Regulierung der Internetbranche könne aus seiner Sicht „nicht von der Digital-Oligarchie selbst vorgenommen werden“.

Auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), forderte mehr Aufsicht über die Online-Netzwerke. „Wir können es nicht den amerikanischen Big-Tech-Firmen überlassen, zu entscheiden, wie wir diskutieren und nicht diskutieren“, sagte er der Nachrichten-Website „Politico“. Wir brauchen einen strengeren regulatorischen Ansatz.“

Keine unionsrechtliche Grundlage

Die rechtliche Problematik einer Regulierung thematisiert Univ.Prof. Forgo in seinem Blog: MINIMA DIGITALIA. Er stellt fest, es sei schon europarechtlich unmöglich zu beantworten, wie sich US-amerikanische Plattformen rechtskonform verhalten sollten. Der vor kurzem veröffentlichte Vorschlag eines „Digital Services Act“ enthalte dazu ebenso keine Antworten wie der Vorschlag einer Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte. Die bisher geltende E-Commerce-Richtlinie hilft ebenfalls nicht weiter. (Siehe dazu: Notwendigkeit einer Grundsatzdiskussion über Plattformen)

Siehe dazu auch: Asoziale Medien

Und: Facebook sperrt Trump – aber ist das gut?

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