Corona-Krise: Umstrittene rechtliche Besserstellung bei Impfung und “Freitestung“  

Coronavirus

Das neue Jahr bringt eine neue Phase der Pandemiebekämpfung: Geimpfte und getestete Personen sollen rechtlich bessergestellt werden als andere. Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, ist umstritten. 

Atteste gelten nur 24 Stunden

Die von der Regierung angebotene Möglichkeit des „Freitestens“ für die Woche nach dem 18. Jänner dürfte angesichts der angekündigten Blockade der Opposition nicht realisiert werden. Der frühere Verfassungsrichter Rudolf Müller hatte diese Vorgangsweise laut einem Bericht auf orf-online als problematisch bezeichnet:  Für die Besserstellung Getesteter müsste der Antigen-Test eine dem Lockdown vergleichbare Wirkung haben. Aber er bietet nur eine Momentaufnahme der Viruslast. Daher sei er ungeeignet, die Bewegungsfreiheit für eine ganze Woche sachlich zu rechtfertigen. Sollte die neuen Regelungen tatsächlich ein „Freitesten“ mit der Antigen-Methode vorsehen, wäre eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof laut Müller recht aussichtsreich – würde allerdings an der Sache nichts ändern, weil der VfGH schon vom Fristenlauf her erst nach der „Freitest-Woche“ entscheiden könnte. (Siehe dazu: Freitesten“ könnte verfassungswidrig sein)

Impfpflicht könnte verfassungskonform sein

Eine gesetzliche Impfpflicht könnte laut Müller allerdings durchaus verfassungskonform sein. Einige Voraussetzungen müssten gegeben sein: Es müsse wissenschaftlich erwiesen sein, dass man die Pandemie anders nicht in den Griff bekommen kann. Und es dürfte kein gelinderes Mittel geben, um diese lebensbedrohende Krankheit aus der Welt zu schaffen.

Das ist wohl der Fall, denn der Aufbau einer Massenimmunität würde lange dauern – und somit viele Leben kosten –, und ein Medikament zur Behandlung der Viruserkrankung ist nicht in Aussicht. Damit könnte durchaus ein invasiver Eingriff wie eine Impfung, die nicht gesundheitsbedrohend ist, vorgeschrieben werden.

Dabei würde aber, merkte Müller an, eine Koordination auf europäischer Ebene eine zentrale Rolle spielen: Eine isoliert nur in Österreich geltende Impfpflicht wäre bei Aufrechterhaltung offener Grenzen kaum geeignet, die Verbreitung des Virus wirksam einzudämmen, und wäre daher wohl auch als Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen.

Erleichterungen für Geimpfte problematisch

Schwieriger wäre es, gesetzlich Erleichterungen für geimpfte Menschen zu gewähren. Das würde jedenfalls voraussetzen, dass sie nachweislich den Virus auch nicht weitergeben. Und da müsste man überdies differenziert vorgehen, weil sich diese Frage bei geimpften Kunden oder geimpften Händlern und deren Mitarbeitern verschieden stelle. Von einem späteren allfälligen Lockdown müsste man vollständig immunisierte (also auch nicht ansteckende) Menschen aber jedenfalls so weit ausnehmen, als ihre Tätigkeit keine Clusterbildung durch Dritte verursachen kann. Denn insoweit wäre eine Einschränkung der Erwerbs- und Bewegungsfreiheit sachlich wohl nicht mehr begründbar, stellte Müller fest.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat laut „Standard“ jedenfalls seine Rechtsmeinung deponiert, dass eine Impfung für den Geimpften keine über die gesundheitlichen Effekte hinaus wirkenden Vorteile bringen sollte – weil das quasi eine Impfpflicht durch die Hintertür bedeuten würde.

Pflicht zur Impfpflicht?

Genau gegenteilig argumentiert der Innsbrucker Staatsrechtsprofessor Peter Bußjäger: „Wenn die Zahl der Geimpften und (durch Genesung) Immunen immer größer wird, müssen und dürfen (!) für sie nicht mehr zwangsläufig dieselben Vorschriften gelten wie für die Nicht-Immunen“.

Denn wer immun ist, gefährdet zumindest sich selbst nicht mehr und wahrscheinlich auch nicht andere. Wenn einander beispielsweise lauter immunisierte Personen treffen, herrscht für keine davon ein Risiko – womit die rechtliche Voraussetzung wegfallen würde, diese von ganz normalen Theatervorstellungen ohne Maske auszuschließen.

Eine ähnliche Differenzierung wird in Deutschland vom Augsburger Rechtsphilosophen Josef Franz Lindner vorgenommen: „Der Betreiber eines Restaurants, einer Kultur- oder Sporteinrichtung kann im Rahmen der Privatautonomie entscheiden, dass er nur geimpfte Personen in seiner Einrichtung zulassen will. Er darf sogar damit werben.“ (Siehe dazu: Umstrittene Freiheit durch die Impfung und das Freitesten)

Digitaler Impfpass als neues Reisedokument

Nach übereinstimmenden Medienberichten arbeiten zwischenzeitlich US-Unternehmen wie IBM, Apple und Google bereits an neue Handy-Apps, mit denen man international Corona-Impfung bestätigen kann.

Die technische Entwicklung organisiert nach einem Bericht im „Kurier“ ein Unternehmen namens „Common Trust Network“. Das in Genf in der Schweiz angesiedelte gemeinnützige Projekt, hinter dem auch das Weltwirtschaftsforum in Davos steht, hat sich unter anderem mit einigen Fluglinien zusammengetan, um eine solche Handy-App nicht nur zu entwickeln, sondern auch großflächig zur Anwendung zu bringen.

Diese „CommonPass“-App dokumentiert auf dem Handy nicht nur sämtliche Corona-Tests und Untersuchungen, sondern eben auch eine Impfung. Die kann man dann bei Ein- oder Ausreise in ein Land den Grenzbehörden vorweisen. „Sie können sich ja bei jeder Einreise testen lassen“, erläutert einer der Verantwortlichen des Projekts dem US-Nachrichtensender CNN: „aber Sie können nicht jedes Mal geimpft werden, wenn sie eine Grenze überschreiten.“ Genau dafür brauche es ein digitales, international anerkanntes und überprüfbares Dokument, „eine Art digitaler gelber Impfpass eben“. (Siehe dazu: Neues Reisedokument – Der digitale Corona-Impfpass).

E-Impfpass ohne Ausstiegsmöglichkeit

Nach einem Bericht des „Standard“ sieht die Österreichische Regierung in ihrem Impfplan bereits die Verwendung eines elektronischen Impfpasses vor – so nennt das Gesundheitsministerium in einem Flowchart zur Durchführung und Organisation der Impfung einen „E-Impfpass und internationale Impfpässe“. Im September hat die Regierung hierfür eine Novelle zum Gesundheitstelematikgesetz verabschiedet, die keine Opt-out-Möglichkeit vorsieht. Begründet wird das damit, dass nur eine vollständige Dokumentation der Impfungen aussagekräftig genug sei, um gesundheitspolitische Maßnahmen treffen zu können. (Siehe dazu: Digitaler Impfpass könnte global für öffentliches Leben verpflichtend werden)

Siehe dazu auch: Epidemiegesetz-Novelle zeigt die fehlende Achtung vor dem Parlament

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