Die 8. Novelle der COVID-19-Lockerungsverordnung brachte die Verpflichtung zum Tragen von Masken beim Betreten der Kundenbereiche bestimmter Geschäfte (Apotheken, Lebensmitteleinzelhandel, Banken, Post etc).
Nach Medienberichten wird die rechtliche Qualität der Maskentragepflicht von Verfassungsexperten unterschiedlich beurteilt. Während der ehemalige VfGH-Richter Rudolf Müller und der Verfassungsjurist Heinz Mayer erklärten, die aktuell gültige Maskenverordnung dürfte gesetzwidrig sein, halten es die Verfassungsrechtler Theo Öhlinger und Bernd-Christian Funk für möglich, dass diese Verordnung des Gesundheitsministers nicht aufgehoben wird. (Siehe dazu: Juristen beurteilen neue Maskenverordnung unterschiedlich)
Die Begründung der Regierung, dass Lebensmittelgeschäfte für viele Menschen unvermeidbar sind, auch wenn sie sich vor Ansteckung fürchten, sei „nicht ganz unplausibel“, sagte Öhlinger. Ob die Regierungsargumente für den VfGH ausreichen, sei „eine Wertungsfrage, die man nicht vorhersagen kann“.
Die Frage sei, wie die Begründung der Regierung genau aussieht – ob nach dem Motto „Pi mal Daumenbreite“ argumentiert wird oder mit empirischen Erhebungen, merkte Funk an. Denn die Verfassungsrichter hätten auf eine hinreichende Begründung für – grundsätzlich als zulässig erklärte – Differenzierungen bei den Corona-Maßnahmen gepocht, verwies der Verfassungsrechtler auf die jüngsten Erkenntnisse. Und stellte fest: „Die endgültige Antwort wird wiederum vom VfGH zu geben sein.“
Ungleichbehandlung müssen transparent begründet werden
Einigkeit herrscht bei allen Rechtsexperten darüber, dass die Unterscheidung zwischen Geschäftstypen hinsichtlich der Maskenpflicht inhaltlich gut begründet werden muss, um tragfähig zu sein. Der ehemalige Verfassungsrichter Rudolf Müller sieht dieses Kriterium durch die Verordnung nicht erfüllt: „Die Differenzierung zwischen Lebensmittelhandel und anderem Handel müsste eine sachliche Grundlage haben. Doch da wie dort kommen Menschen auf engem Raum zusammen. Wieso die Regelung in einem Geschäft gilt und im anderen nicht, scheint mir sachlich nicht gerechtfertigt.“ Wenn es sich ausschließlich um einen politischen Kompromiss mit der Wirtschaftskammer handle, wird auch diese Verordnung wieder gekippt werden, ist der Experte überzeugt.
Ähnlich sieht das der Verfassungsjurist Heinz Mayer. Auch er kann keine triftige Begründung erkennen, die der Differenzierung zwischen Geschäftstypen zugrunde liegt. Dabei hat der VfGH in seinem jüngsten Erkenntnis explizit gefordert, dass das Ministerium derartige Ungleichbehandlungen transparent begründen und seine Informationsbasis darlegen muss. Eine vom VfGH aufgehobene Regelung hatte etwa Gartencenter gegenüber anderen großen Geschäften – ohne nachvollziehbaren Grund – bevorzugt.
Am Freitagabend reichte das Gesundheitsministerium laut STANDARD ein internes Papier nach, das die Verordnung argumentativ stützen soll.* Autor des zweiseitigen „kurzen Fachgutachtens“ ist der Infektiologe Herwig Kollaritsch, der seit Beginn der Pandemie in der Corona-Taskforce von Gesundheitsminister Anschober sitzt. Dieser ließ am Samstag per Aussendung wissen, dass das Gutachten „vom allergrößten Teil der Virologen geteilt und unterstützt“ werde und die neue Maskenpflicht demnach fachlich gerechtfertigt sei. (Siehe dazu: Maskenpflicht auf der Kippe – Juristen durchleuchten neue Verordnung)