VwGH Judikatur / Doppelstaatsbürger: „Ex-lege“-Verlust der Staatsbürgerschaft unzulässig

Nach einem Bericht der Tageszeitung „Presse“ hat sich der österreichische Verwaltungsgerichtshof – wenn auch mit einiger Verzögerung – der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Entziehung der Staatsbürgerschaft angeschlossen.

Der EuGH hatte bereits im März dieses Jahres entschieden, dass jeder Bürger eines EU-Mitgliedsstaates auch den Status eines Unionsbürgers (Art. 20 AEUV) hat, sodass mit dem Verlust der (nationalen) Staatsbürgerschaft der Verlust der Unionsbürgerschaft und der damit verbundenen Rechte einhergeht.

Kein „automatischer“ Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft für Doppelstaatsbürger

Nach dem Unionsrecht ist es zwar grundsätzlich möglich, aus Gründen des Allgemeininteresses die (nationale) Staatsangehörigkeit abzuerkennen, der Verlust der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats kraft Gesetzes verstößt aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die relevanten innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu keinem Zeitpunkt eine Einzelfallprüfung der Folgen dieses Verlusts für die Situation der Betroffenen aus unionsrechtlicher Sicht erlauben (Rechtssache C‑221/17 vom 12. März 2019 ).

Damit ist ein „automatischer“ (ex-lege) Verlust der Staatsbürgerschaft – etwa in Fällen der behördlich nicht bewilligten Doppelstaatsbürgerschaft – zukünftig unzulässig.

Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ist es Sache insbesondere der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der nationalen Gerichte, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein solcher Verlust der Staatsangehörigkeit mit den Grundrechten der Charta, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, im Einklang steht, und insbesondere mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens, das in Art. 7 der Charta niedergelegt ist, wobei dieser Artikel in Zusammenschau mit der Verpflichtung auszulegen ist, das in Art. 24 Abs. 2 der Charta anerkannte Kindeswohl zu berücksichtigen.

Aberkennung der Staatsbürgerschaft für IS-Kämpfer

Nach Medienberichten laufen derzeit in Österreich gegen mehrere Personen, denen vorgeworfen wird, sogenannten „IS-Kämpfer“ zu sein, Verfahren zur Entziehung der Staatsbürgerschaft (Siehe dazu: „IS-Kämpfer“ verliert österreichische Staatsbürgerschaft).

Hier den Beitrag in der „Presse“ lesen …

Siehe dazu auch: EuGH – Verlust der Staatsbürgerschaft nur nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit

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