Gerichtsdolmetscher kündigen Streik an

Um auf ihre anhaltend schlechte Bezahlung aufmerksam zu machen, legen die Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetscher am 17. September die Arbeit nieder.

Damit können an diesem Tag bundesweit keine Verhandlungen stattfinden, an denen die Beteiligung von Gerichtsdolmetschern erforderlich wäre. Im Wiener Landesgericht für Strafsachen wird dafür eine Protestveranstaltung stattfinden.

„Das muss sein. Irgendwann geht es nicht mehr“, sagt Elisabeth Prantner-Hüttinger, Vorstandsmitglied des Gerichtsdolmetscher-Verbandes, zur „Wiener Zeitung“. Die Zahl der gerichtlich zertifizierten Dolmetscher sei seit 2006 um fast die Hälfte auf rund 730 gesunken: „Wir sind eine aussterbende Spezies.“ Das liege am niedrigen Lohn, der seit 2007 nicht mehr erhöht wurde. Das habe aufgrund der Inflation einen Einkommensverlust von 22,5 Prozent bewirkt. Die Diskrepanz zwischen Gerichtsgebühren und allgemeiner Marktlage betrage ein Viertel. 25 Euro erhalten die Übersetzer für die erste halbe Stunde, 12 Euro gibt es für jede weitere halbe Stunde – vor Steuern und Abgaben.

Vormarsch der Laien

Daher sei der Job für qualifizierte Kräfte, die den Zertifizierungsprozess durchlaufen, kaum noch verlockend, so Prantner-Hüttinger. Bewerber mit Dolmetschstudium müssen eine zweijährige Berufserfahrung vorweisen – haben sie nicht studiert, müssen sie fünf Jahre als Übersetzer tätig gewesen sein. Bei der Prüfung werden neben Sprach- auch Rechtskenntnisse abgefragt. „Die Prüfung ist schwierig. Und das ist gut so“, sagt sie.

Bei manchen Sprachen herrscht bereits ein eklatanter Mangel. Für Dari und Pashtu gibt es laut Gerichtsdolmetscherliste österreichweit nur einen Übersetzer. Das Problem dürfte sich auch bei anderen Sprachen verschärfen: Etliche Gerichtsdolmetscher sind bereits über 70 Jahre alt.

Das führe dazu, dass von Polizei und Justiz vermehrt Laiendolmetscher, die nicht geprüft wurden, eingesetzt werden, so Prantner-Hüttinger: „Dabei handelt es sich teilweise um Kebabstandler.“ Deren Einsatz kann gravierende Folgen haben: In Graz musste wegen des Fehlers eines Laien ein Strafprozess wiederholt werden. Fehler eines Übersetzers dürfte es auch bei einem Prozess gegeben haben, bei dem der Richter den Zeugen aufforderte, „aufmerksam dem Gang der Verhandlung zu folgen“. Der Zeuge erhob sich und wollte auf den Gang gehen.

Hier den Beitrag in der Wiener Zeitung lesen …

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