Mindestsicherung (2): Richter fürchten Ansteigen der Kriminalität

Wenn die Mindestsicherung für verurteilte Kriminelle gestrichen wird, könnten diese zu weiteren Straftaten animiert werden

Richtervereinigung, Gerichte und Sozialarbeiter warnen wegen der Regierungspläne zur Reform der Mindestsicherung vor steigender Kriminalität in Österreich. Hintergrund: Straftätern, die zu mehr als sechs Monaten bedingter oder unbedingter Haft verurteilt werden, soll künftig für die Dauer der Freiheitsstrafe auch die Mindestsicherung gestrichen werden.

Experten halten von diesem Vorhaben der türkis-blauen Regierung allerdings wenig, wie aus dem derzeit laufenden Begutachtungsverfahren hervorgeht. Straftätern werde dadurch der Wiedereinstieg in ein geordnetes Leben und die Resozialisierung erschwert, der Rückfall in die Kriminalität werde wahrscheinlicher, so die Kritik.

Jeder fünfte Inhaftierte Sozialhilfebezieher

Rund 20 Prozent der Personen im Strafvollzug bezogen laut Studien vor ihrer Inhaftierung Sozialhilfe bzw. Notstandshilfe und konnten ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten. 50 Prozent der Inhaftierten sind nach der Entlassung durch fehlendes bzw. nicht gesichertes Einkommen belastet, etwa 35 Prozent weisen existenzbedrohliche Schulden auf.

Die Fachgruppen Strafrecht und Jugendstrafrecht in der Richtervereinigung sprechen sich in ihrer Stellungnahme entschieden gegen das Gesetzesvorhaben aus. Den Betroffenen drohe nach der Haft Obdachlosigkeit. Armut und Perspektivlosigkeit seien aber wesentliche Faktoren bei der Entstehung von Kriminalität.

„Der Gesetzesentwurf schafft die Voraussetzungen, die betroffenen Personen verstärkt in diese Randbereiche zu drängen und als Konsequenz unmittelbarer Notlage die Gefahr von Rückfall und weiterer Kriminalität zu fördern“, schreibt die Richtervereinigung. Die Folgekosten – allen voran Haftplätze – würden das Einsparungspotenzial bei Sozialleistungen übersteigen und die entstehenden Mehrkosten auf die Justiz überwälzen.

Vermehrte Perspektivlosigkeit“

Ähnlich die Argumentation des Oberlandesgerichts Innsbruck: „Eine vermehrte Perspektivlosigkeit durch den zeitweisen Entzug einer Grundsicherung birgt die ganz konkrete Gefahr in sich, dass es zu einem vermehrten Rückfall und somit zu einer Steigerung der Kriminalität kommt.“ Die Interessensgemeinschaft der Sozialarbeiter an den Justizanstalten warnt ebenfalls vor den Plänen. Die Sicherung bestehenden Wohnraums während der Haft sei für den Wiedereinstieg enorm wichtig. Die Mindestsicherung leiste hier einen wesentlichen Beitrag. Richter und Sozialarbeiter fordern die Streichung der entsprechenden Gesetzespassage.

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