Staatliche Datenbanken – Was weiß die Polizei?

Sie waren im Sommer 2017 zum G20-Gipfel nach Hamburg gekommen, um ihren Job zu machen und über das Ereignis zu berichten: Doch 32 Journalisten wurde vor Ort die Akkreditierung entzogen – zumindest zum Teil offenbar auf Basis unrechtmäßig gespeicherter, schlecht gepflegter oder schlicht falsch interpretierter Daten.

Fehlentscheidung auf Grundlage schlechter Daten

In mehreren Fällen ist später offiziell festgestellt worden, dass die Journalisten unrechtmäßig ausgeschlossen worden waren (Siehe dazu: Entziehung der Akkreditierung – Journalisten klagen vor dem Verwaltungsgericht)

Der Fall sorgte für Empörung. Die Datenbankeinträge hatten Fehlentscheidungen bewirkt. „Ganz klar: Unnötig gespeicherte Daten schaffen nicht mehr, sondern weniger Sicherheit“, sagte der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) und sprach von schwerwiegenden Vorwürfen.

Dem Rechtsanwalt Ulrich Kerner aus Berlin liefert diese Episode neues Futter für eine Warnung, die er seit Jahren ausspricht: Seiner Meinung nach sind Polizeidatenbanken auf Landes-, Bundes-, und EU-Ebene häufig schlecht geführt. Sie würden Daten über deutsche Bürger liefern, die die Polizei nach geltendem Recht eigentlich nicht zu sehen bekommen sollte. Trotz bestehender Löschfristen werden bestimmte Daten laut Kerner nicht gelöscht, sondern verbleiben so lange in den Datenbanken, bis ein Betroffener selbst nachhakt.

In einer dieser Datenbanken werden beispielsweise schlicht alle Bürger mit Führerschein aufgeführt. Sie können aber auch weitaus sensiblere Informationen enthalten: BTM lautet ein häufiger Eintrag in Polizeidatenbanken. Das Kürzel zeigt an, dass die Person bereits einmal im Bereich Betäubungsmittel aufgefallen ist. Auch Merkmale wie „Sexualtäter“, „Prostitution“, „geisteskrank“ oder „gewalttätig“ werden eingespeist. Häufig haben mehrere staatliche Stellen Zugriff darauf, nicht nur eine Landespolizei.

Eine wichtige Arbeitshilfe der Polizei

Für die Polizeiarbeit sind derartige Datenbanken sehr wichtig und nicht per se problematisch. Sie helfen den Beamten, ihre Arbeit zu machen. Wo wohnt ein Verdächtiger? Wen hat ein Kollege gerade bei einer Verkehrskontrolle vor sich? Auch Kerner weiß um die Notwendigkeit, Daten schnell abfragen zu können und sagt: „Diese Datenbanken sind kein Panikthema, bei dem man sofort denken muss: Da passieren schlimme Dinge. Kriminalistisch macht so eine Abfrage durchaus Sinn.“

Dennoch weist er darauf hin, dass solche Datenbanken – auch wenn sie nützlich sind – nach seiner Ansicht einen Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellen. Da müsse alles rechtlich einwandfrei sein. „In Deutschland gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Eine Datenbank mit meinen Daten ist daher ein Eingriff in dieses Recht.“ Um für das Thema zu sensibilisieren, ist er für einen Vortrag auf die Berliner Netzkonferenz re:publica gekommen.

Im Alltag berät und vertritt der Anwalt Blogger, politische Künstlergruppen und Netzaktivisten, aber auch Unternehmen, etwa zu Fragen des Ordnungsrechts oder des Strafrechts.

„Man gilt ganz schnell als vorbelastet“

Von seinen Mandanten kennt Kerner viele Geschichten darüber, wie Polizeidatenbanken wirken können. Sind Polizisten bei einer Verkehrskontrolle zunächst noch freundlich, schlägt der Tonfall nach der Sichtung eines negativen Eintrags schnell um. „Keiner ist frei von Vorurteilen. Wenn Daten erfasst werden und verfügbar sind, schreibt der Mensch ihnen einfach eine gewisse Wichtigkeit zu“, sagt er. „Man gilt ganz schnell als vorbelastet – dabei ist der Eintrag eventuell falsch oder der Mandant hätte ein Recht darauf gehabt, dass die Information längst hätte gelöscht werden müssen.“

Das Problem, das Kerner sieht: „Alte Daten beeinflussen sehr wohl den ermittelnden Beamten.“ Aufgrund gesetzlicher Auskunftspflichten beantragt er für seine Mandanten daher häufig Datenbankabfragen bei der Polizei. Häufig sind diese Anfragen der Anstoß für die Beamten, den fraglichen Datensatz zu prüfen – und veraltete Einträge zu löschen. Wer keine solche Anfrage beauftragt, könne nur darauf hoffen, dass dies auch ohne sein Zutun geschieht.

So bekommen Sie Auskunft

„Aber wir haben hier ein strukturelles Problem. Die Behörden sind wegen Personalmangels gar nicht in der Lage, ihre Datenbanken nach Einträgen zu durchforsten, die dort nicht hingehören“, sagt Kerner.

Wer wissen möchte, welche Daten über ihn beispielsweise in einer der Polizeidatenbanken vorhanden sind, kann selbst eine Anfrage stellen. Vorlagen für entsprechende Schreiben finden sich zum Beispiel auf der Seite der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, sagt Kerner. Gesendet werden sollte das Auskunftsschreiben an die Landespolizei des Landes, in dem man gemeldet ist – oder gemeldet war. Nicht selten, so sagt Kerner, bekomme man dann eine Auflistung zurück, die mit dem Hinweis versehen ist, die Daten seien nun gelöscht worden. Weil sie gar nicht mehr hätten gespeichert sein dürfen.

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Siehe dazu auch: Datenschutz – Keine Auskunftspflicht für Behörden?

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