Flüchtlinge klagen gegen Asylbescheide, das Amt geht in Berufung: Diese Fälle werden die Justiz noch lange beschäftigen, sagt der Bund Deutscher Verwaltungsrichter – und viel Personal binden.
Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter (BDVR) rechnet mit anhaltenden Verzögerungen bei der Bearbeitung von Asylklagen. Die Bewältigung der in den vergangenen Jahren bei den Verwaltungsgerichten eingegangenen Verfahren werde noch einige Jahre in Anspruch nehmen, sagte der Vorsitzende Robert Seegmüller der „Heilbronner Stimme“. Die Einschätzung, das zusätzlich zur Verfügung gestellte Personal könne in ein bis zwei Jahren wieder abgezogen werden, sei schlicht falsch.
„Wir werden das zusätzliche Personal noch deutlich länger als ein bis zwei Jahre brauchen und darüber hinaus eventuell vorübergehend sogar noch mehr, um den aufgelaufenen Berg an Verfahren abzuarbeiten“, sagte Seegmüller. Um zusätzliches Personal aufzubauen und die Verfahren zu beschleunigen, seien „Abordnungen aus anderen Gerichtsbarkeiten oder den Verwaltungen“ denkbar. Von dieser Möglichkeit werde derzeit schon Gebrauch gemacht.
Zudem seien unmittelbar nach der Wiedervereinigung positive Erfahrungen mit Richtern gemacht worden, die über das reguläre Pensionsalter hinaus gearbeitet hätten. Gegen eine solche Möglichkeit habe er grundsätzlich „nichts einzuwenden“.
Der BDVR-Vorsitzende kritisierte darüber hinaus eine schleppende Digitalisierung in den Behörden. Noch 2015 seien etwa beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) elektronisch geführte Akten bei Eingang einer Klage ausgedruckt und an das zuständige Verwaltungsgericht geschickt worden.
Diese Verfahrensweise sei unproblematisch, wenn es nur um 10.000 Verfahren pro Jahr gehe. Sie löse aber erhebliche organisatorische Probleme aus, wenn es um 100.000 oder sogar 200.000 Verfahren gehe. „Das geht bei der Menge des zu lagernden Papiers los und hört bei der Notwendigkeit, diese Akten alle fehlerfrei zu sortieren und den Verfahren zuzuordnen, auf“, sagte Seegmüller der „Heilbronner Stimme“.
Gerichte kassieren Bescheide, Bamf geht in Berufung
Gerichte in Deutschland kassieren fast die Hälfte der vom Bamf abgelehnten Asylbescheide, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ im Januar und berief sich dabei auf Zahlen aus den ersten neun Monaten des Jahres 2017 aus einer Antwort der Bundesregierung an die Fraktion der Linken.
Rund 44 Prozent aller Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, die inhaltlich entschieden werden, gingen demnach zugunsten der Flüchtlinge aus. Sie erhielten dadurch Schutz als Asylberechtigte oder gemäß der Genfer Konvention. Syrer und Afghanen sind demnach deutlich erfolgreicher als anderen Gruppe: 69 und 61 Prozent von ihnen setzen sich durch. Das Bamf geht laut dem Zeitungsbericht allerdings regelmäßig in Berufung und hatte bislang in zweiter Instanz wiederum oft Erfolg.
Die Gesamtzahl der Klagen gegen Bamf-Entscheidungen dürfte sich 2017 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben: Nach den bis Ende September vorliegenden Daten waren bereits 273.000 Klagen eingegangen. Zugleich habe sich auch die Zahl der Gerichtsentscheidungen fast verdoppelt: In den ersten drei Quartalen 2017 gab es knapp 100.000 Urteile.