Nach dem schweren Anschlag auf das Pariser Konzertlokal „Bataclan“ im November 2015 mit 130 Toten hatte Frankreich das auf den Algerienkrieg zurückgehende Notrecht aktiviert.
Die Polizei konnte Personen unter Hausarrest setzen, Razzien vornehmen und Moscheen schließen, ohne vorgängig um eine richterliche Ermächtigung zu ersuchen. Zu diesem Zweck musste die Regierung in Paris die Einhaltung einzelner Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtscharta „suspendieren“.
An die Stelle des Notrechts trat Anfang November dieses Jahres nun ein vom Parlament beschlossenes verschärftes Antiterrorgesetz, das der Polizei fast ebenso weitgehende Kompetenzen einräumt. So etwa bei Hausdurchsuchungen, von denen die Polizei unter dem Notrecht über 4.000 vorgenommen hat. Sie werden jetzt „visites domiciliaires“ genannt, was man ohne viel bösen Willen mit „Hausbesuche“ übersetzen könnte. Hausarrest – der derzeit rund 60 Gefährder betrifft – heißt neu „individuelle Kontrollmaßnahme“.
Verdacht wird Beweis gleichgestellt
Auf Druck von Anwälten und Menschenrechtsverbänden hat die Regierung von Präsident Emmanuel Macron eingewilligt, dass die Polizei für diese Maßnahmen im Voraus die Bewilligung eines Richters einholen muss. Damit ist das Prinzip der Gewaltenteilung zumindest formell gewahrt. Dieser Entscheid ist aber nach Ansicht mehrerer Juristenverbände nur noch eine Formalität, da die Richter kaum mehr Zugang zu den einzelnen Geheimdienstdossiers haben. (Siehe dazu auch: Rechtsschutz in Zeiten des Notstands)
Österreich: Verfassungsgerichtshof prüft Staatsschutzgesetz
Auch das in Österreich im Februar 2016 kundgemachte „Polizeiliche Staatsschutzgesetz“ (BGBl. I Nr. 5/2016) soll Ermittlern weitreichende Befugnisse einräumen.
Dessen Beschlussfassung wurde von Datenschützern und Rechtsanwaltskammer vehement kritisiert, gibt das Gesetz den Verfassungsschützern im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung doch bei der Gefahr extremistischer Taten mehr Rechte, schon im Vorfeld zu agieren, und ermöglicht den Einsatz von (externen) Vertrauensleuten. Damit wird der Einsatz von „V-Leuten“ auf Fälle ausgedehnt, in denen noch gar keine Straftat begangen wurde. Eine richterliche Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen wird vom Gesetz nicht vorgesehen.
Grüne und FPÖ haben einen gemeinsamen Drittelantrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt, da sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Reihe von Bestimmungen hatten. Die Beratung des VfGH laufen seitt Juni 2017, bis dato wurde noch keine Entscheidung bekannt.
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Hinweis: Eine detaillierte Untersuchung über die Notstandsgesetzgebung in Frankreich ist im neuen Juridicum (Der état d‘urgence in Frankreich) zu lesen.