„Nur wenige wissen, was passiert und wie es passiert“, so beschrieb Yvonne Hofstetter in ihrem vielbeachteten Vortrag beim Maiforum 2017 zum Thema „Macht der Algorithmen – Ohnmacht des Rechtstaats?“ die Folgen der Digitalisierung für den Rechtsstaat. Im Bereich des Steuerrechts werden die Folgen der Digitalisierung schon in Ansätzen sichtbar: Die physische Betriebsstätte, in den nationalen Rechtsordnungen der klassische Anknüpfungspunkt für Unternehmenssteuern, verliert gerade bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen durch die technische Entwicklung immer mehr an Bedeutung. Die normative Kraft der Digitalisierung beginnt nationalstaatliche Gesetze auszuhebeln.
Google entkommt Milliarden-Steuernachzahlung
Diese Erfahrung musste auch die französische Steuerbehörde in einem Rechtsstreit mit dem US-Konzern Google über dessen Steuerpflicht in Frankreich machen.
Das Verwaltungsgericht Paris gab dem Konzern Recht, weil dieser keine feste Betriebsstätte in Frankreich hat. Deshalb durfte und darf er seine Werbeeinnahmen mit französischen Kunden in Irland besteuern, wo er seine Europazentrale hat. Dass senkt den Steuersatz von 33 Prozent auf 12,5 Prozent. Auch die von den französischen Steuerbehörden geforderten 1,1 Milliarden Euro muss der Konzern nicht nachzahlen.
Die vom Konzern angewendete „Double Irish und Dutch Sandwich“ Strategie führt dazu, dass Google den überwiegenden Teil seiner Gewinne in Europa und Asien an den jeweiligen Steuerbehörden vorbei in die Karibik überweisen kann, wo es dann steuerfrei geparkt wird. In Europa kommt Google damit auf Steuersätze von gerade mal etwa 5 Prozent, rechnen Experten in verschiedenen Medien vor.
Neuer Anknüpfungspunkt: „Digitale Betriebsstätte“
Bereits im Jahr 2014 hatte die OECD in einem Diskussionspapier Lösungen vorgeschlagen, wie die mit der digitalen Wirtschaft verbundenen Besteuerungsprobleme gelöst werden könnten. Dort wird vorgeschlagen, dass die Begründung einer Betriebsstätte auch durch eine „erhebliche digitale Präsenz“ eines Unternehmens in einem Staat erfolgen kann oder durch die bloße Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auch sogenannte „virtuelle Betriebsstätten“ begründet werden könnten. Diese Vorschläge werden nach einem Bericht der „Presse“ jetzt von Finanzminister Schelling aufgegriffen, der den EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 dafür nutzen will, alle Mitgliedstaaten von einer „digitalen Betriebsstätte“ zu überzeugen.