Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte aus Anlass eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Glücksspielgesetz beim EuGH die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahren beantragt.
Die an den EuGH herabgetragene Fragestellung (Antrag vom 14.12.2015) zielte zur Klärung der Frage ab, ob die Stellung der Verwaltungsgerichte im Verwaltungsstrafverfahren in Österreich mit der Stellung eines Gerichtes im Sinne des Unionsrechts vereinbar ist.
Im Kern war damit die Verpflichtung der österreichischen Verwaltungsgerichte gemeint, in ein und derselben Funktion initiativ den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln (Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung) und in der Folge über den so ermittelten Sachverhalt selbst zu entscheiden.
In seinem Urteil vom 14. Juni 2017 (Rechtssache C‑685/15) betont der Gerichtshof nun, dass es Aufgabe eines Richters ist, die bei ihm anhängige Rechtssache zu prüfen, und zwar nicht zur Unterstützung der „Anklage“, sondern zur Wahrheitsfindung. Damit können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage von Beweisen zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der Behörden die Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Regelungen wie das Glücksspielgesetz vorzubringen, die die Behörden vorzubringen haben.
Folgen der Abwesenheit oder Passivität der Behörden
Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Im Übrigen darf der Ansatz des nationalen Gerichts im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Glücksspielgesetzes nicht statisch sein, sondern muss dynamisch sein, so dass es die Entwicklung der Umstände nach dem Erlass der betreffenden Regelung berücksichtigen muss.