Türkei (1): Europäische Richtervereinigungen gründen Plattform zur Unterstützung einer unabhängigen türkischen Justiz

Erstmals haben sich Europäische Richtervereinigungen in einer Plattform zusammengefunden, um die Unabhängigkeit eines nationalen Justizsystems zu unterstützen und um detailliert zu dokumentieren, wie die Regierung gegen die Justiz vorgeht.

Die Europäischen Richter (EAJ), die Europäischen Verwaltungsrichter (AEAJ), die Organisation „ The Judges for Judges“ und die “Magistrats Européens pour la Démocratie et les Libertés” (MEDEL) sehen Demokratie und Menschenrechte in einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten grundlegend in Frage gestellt, die Entwicklung in der Türkei wird aber als besondere Bedrohung des Europäischen Wertsystems betrachtet. Denn der fehlende Rechtsschutz durch das Ausschalten einer unabhängigen Justiz mache die zu beobachtenden negativen Entwicklungen erst möglich.

Die Plattform zeigt sich über den versuchten Militärputsch entsetzt, gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang aber die Befürchtung geäußert, dieser sei nicht nur Anlass für die Verhängung des Ausnahmezustandes, sondern werde auch zur Beseitigung von Verfahrensgarantien und Grundrechte genützt.

In dem m Schreiben, welches an eine Vielzahl von Entscheidungsträgern in Europa gerichtet ist, wird detailliert berichtet, welche Maßnahmen gegen die türkische Justiz getroffen wurden:

– 2.745 Richter (von rund 15.000) wurden innerhalb von 12 Stunden nach dem Putschversuch entlassen und gegen alle Haftbefehle erlassen
– Ein Großteil von diesen Richtern und Staatsanwälten ist inhaftiert
– Ebenso wurden einige Verteidiger dieser Beamten inhaftiert
– 48 Richter des Staatsrats „State Council“ wurden entlassen, das ist mehr als die Hälfte der Mitglieder des Staatsrates, welcher Berufungsinstanz gegen Urteile von Verwaltungsgerichten ist
– 140 von 150 Richter des Obersten Gerichtshofes ( Cassation Court) wurden entlassen
– Ebenso 5 Mitglieder des Obersten Justizrates, welcher für die Karriereentscheidungen von Richtern zuständig ist, deren Entlassung sowie für Disziplinarverfahren
– Das Vermögen von 3.049 Richtern und Staatsanwälten, gegen die Ermittlungen geführt werden, wurde mit 28. Juli 2016 beschlagnahmt.

Diese Maßnahmen wurden getroffen, obwohl nach den, der Plattform bekannten Informationen keine Beweise für eine Beteiligung dieser Richter und Staatsanwälte am Militärputsch veröffentlicht wurden. Vielmehr gebe es Beweise, dass die Liste der betroffenen Personen bereits seit längerem vorbereitet wurde, da sich auf dieser Liste auch Richter und Staatsanwälte befinden, welche vor mehr als 50 Tagen vor dem Putsch bereits gestorben waren oder bei denen zwischenzeitlich eine Funktionsänderung erfolgte, in der Liste aber noch die frühere Funktion aufscheint.

Die Plattform weist außerdem darauf hin, dass bereits seit Dezember 2013 eine Reihe von Schritten zur Aushöhlung der Unabhängigkeit der türkischen Justiz ergriffen wurden, welche konkret angeführt werden. Auf Grund dieser Ereignisse wird Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission des Europarates Zur Lage der Unabhängigkeit der türkischen Justiz und zur Überprüfung der Haftbedingungen der inhaftierten Richter und Staatsanwälte gefordert.

Hier das Schreiben der Plattform im Original

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