Offene Kritik an der EU-Kommission: Die Juristen sehen weder Rechtsgrundlage noch Notwendigkeit für die Schiedsgerichte, die als Teil von TTIP eingeführt werden sollen.
Von Petra Pinzler/ DIE ZEIT
Der Deutsche Richterbund lehnt einen öffentlichen Investitionsschiedsgerichtshof ab. Sie sähen „weder eine Rechtsgrundlage noch eine Notwendigkeit für ein solches Gericht“, schreiben die Richter und kritisieren damit ganz offen die EU-Kommission. Die will einen solchen Gerichtshof (ICS) mit dem geplanten europäisch-amerikanischen Handelsabkommen TTIP einrichten, und so ausländischen Investoren besondere Klagemöglichkeiten gegen Staaten einräumen.
Die Richter kritisieren, „die Schaffung von Sondergerichten für einzelne Gruppen von Rechtsuchenden“ sei der falsche Weg. Ein öffentlicher Gerichtshof für Investoren würde die Rechtssetzungsbefugnis der Mitgliedsstaaten und der Union zu stark beschränken. Es fehle ihm zudem die nötige Rechtsgrundlage. Und das Verfahren zur Ernennung der Richter genüge nicht den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten.
Dass nun ausgerechnet der wichtigste Interessenverband der deutschen Richter den Kommissionsvorschlag ablehnt, ist ein starkes Signal an Brüssel. Denn die Kommission will ihren Gerichtshof als globale Alternative zu den umstritten privaten Schiedsgerichten etablieren. Sie will ihn daher nicht nur im TTIP-Vertrag verankern, sie hat ihn bereits in einen Handelsvertrag mit Vietnam geschrieben. Und sie verhandelt darüber derzeit mit Kanada, mit dem im vergangenen Jahr der Ceta-Handelsvertrag geschlossen wurde. Hier will die Kommission allerdings die Regeln für den Investitionsschutz nachbessern und auch hier private Schiedsgerichte durch das öffentliche Gericht ersetzen. Damit, so hofft die Kommission, steigen die Chancen, dass die europäischen Abgeordneten dem Vertrag zustimmen.