Richter mit Magneten milde stimmen?

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Zumindest im Psychologenlabor fallen Strafen weniger hart aus, wenn ein Teil des Gehirns lahmgelegt ist.

Manche Tiere strafen andere, wenn sie sich unfair behandelt fühlen, aber Rechtssysteme zur Sicherung ihrer sozialen Normen – und damit der gesellschaftlichen Kooperation – haben nur Menschen aufgebaut. Die können ganz verschieden sein, es kann etwa erst eine Jury über die Schuld entscheiden und dann ein Richter über das Strafmaß. So wird die Arbeit auch in Gehirnen geteilt, zumindest in denen von 66 Studenten der Vanderbilt University, die vom Psychologen Joshua Buckholz ins Labor gebeten wurden. Diese bekamen fiktive Fälle vorgelegt, in denen ein „John“ Verbrechen unterschiedlicher Schwere begangen hatte – vom Diebstahl bis Mord –, bei der Hälfte der Fälle waren auch noch mildernde Umstände angeführt.

Die Probanden hatten getrennt über die Schuld zu urteilen bzw. über die Strafe zu entscheiden. Buckholz sah ihnen dabei mit Magnetresonanz ins Gehirn, und zwar in den dorsolateralen präfrontalen Cortex (DLPFC), von dem weiß man, dass er bei moralischen Entscheidungen mitspielt, ganz generell ist er eine bei Menschen sehr hoch entwickelte Schaltstelle, in der viele Informationen zusammenlaufen und gespeichert werden, er spielt auch beim Gedächtnis mit.

Schuldfrage und Strafmaß entkoppelt

Aber Buckholz sah nicht nur in die Gehirne, er manipulierte manche auch, legte den DLPFC temporär lahm – durch Überaktivierung mit Magnetstimulation, bei anderen Probanden gab es die nur als Placebo. Diese Ausschaltung änderte an den Urteilen über die Schuldfrage nichts. Aber an den Entscheidungen über das Strafmaß: Die Urteile fielen milder aus, vor allem bei weniger schweren Verbrechen. Und die wurden weniger nach den Intentionen der Täter bewertet und mehr nach dem angerichteten Schaden (Neuron 16.9.). Sollten auch Richter so urteilen? „Unsere Studie bringt neue Einsichten darüber, wie Gehirne mit Entscheidungen umgehen, wie sie Richter jeden Tag treffen, aber die Effekte sind moderat, und es ist unklar, wie weit sie für Gerichtsverfahren generalisiert werden könnten“, winkt Koautor René Marois ab: „In absehbarer Zeit wird Magnetstimulation nicht in Gerichtssäle kommen.“

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