Städtebauliche Verträge verpflichten neuerdings private Grundeigentümer, Infrastrukturkosten zu übernehmen. Wie weit darf das gehen?
Anfang Juli kamen sie schon einmal ins Gerede. Auch kürzlich wieder, gerade rechtzeitig vor den Wiener Wahlen: die städtebaulichen Verträge. Das sind Vereinbarungen zwischen Gemeinden und privaten Projektwerbern, die geschlossen werden, wenn ein Grundstück für ein Bauvorhaben umgewidmet wird. Den Grundeigentümern werden dabei Verpflichtungen auferlegt, für die Bebauung und Nutzung, für den Fall einer Weitergabe, aber auch dahingehend, dass sie sich an Folgekosten, etwa für Infrastruktur, beteiligen müssen. Eine Rechtsgrundlage dafür gibt es inzwischen in allen Bundesländern. Die praktische Anwendung steckt noch in den Kinderschuhen.
Danube Flats ist das erste fertig ausgehandelte Projekt in Wien. Ca. 500 Wohnungen sollen in dem 150 Meter hohen Wohnturm entstehen, den Soravia und die S+B Gruppe an der Neuen Donau errichten. Vor der Umwidmung der Fläche mussten sie sich verpflichten, neben frei finanzierten Eigentumswohnungen auch kleine Wohnungen für einkommensschwächere Menschen und einen Kindergarten bereitzustellen, sich um die Neugestaltung des Vorplatzes der U-Bahn-Station zu kümmern und zum Ausbau einer Schule in der Nähe beizusteuern.
Keine „materielle Enteignung“
Auf die Umwidmung folgte prompt Kritik: FPÖ-Gemeinderat Alfred Wansch sprach von „Anlass- und Gefälligkeitswidmung“, bezeichnete den Vertrag als verfassungswidrig und kritisierte, dieser werde „in der Öffentlichkeit nicht ohne Grund als Zahlung für eine gewünschte Widmung bezeichnet“. Etwas anders gelagert sind die neulich erhobenen Vorwürfe: „Wien ließ Millionen liegen“, titelte der „Standard“ und zitierte unter anderem Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung und Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. Grundtenor: Die Stadt hätte bei dem Deal mit den Projektwerbern noch viel mehr herausholen sollen. Sie habe vom Aufwertungsgewinn, der durch die Umwidmung entstand, zu wenig „abgeschöpft“.
Das wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wem steht nun wirklich der „Mehrwert“ nach einer Umwidmung zu? „Laut Verfassung dem Eigentümer“, sagt Rechtsanwalt Rudolf Pekar von der Kanzlei fwp, die beim Danube Flats-Projekt den privaten Investor vertreten hat. „Der Gesetzgeber darf dahingehend Ausgestaltungen vornehmen, aber nicht schlechthin diesen Mehrwert abschöpfen und damit eine materielle Enteignung vornehmen.“ Weder darum dürfe es bei städtebaulichen Verträgen gehen, noch um das – verbotene – „Erkaufen“ einer Umwidmung. Sondern schlicht darum, wer die Folgekosten zahlt, weil man für neue Wohnungen auch Kindergartenplätze, Schulen, Verkehrsanbindungen braucht. Bisher blieb hierzulande die öffentliche Hand auf solchen Kosten sitzen. Sinn der Verträge sei es, dass sich der Investor daran beteiligt. „Er profitiert ja auch davon, weil gute Infrastruktur den Wert der Immobilie erhöht.“
Auch in Graz wird an städtebaulichen Verträgen gebastelt. Es gehe da um „alle Themenfelder: von energiebezogenen Maßnahmen, Mobilität, Baukultur und Architekturqualität, Gebäudebezogenem wie Gemeinschaftsflächen bis zum Vermitteln von Informationen“, sagt Stadtbaudirektor Bertram Werle. Bei den Stadtentwicklungsprojekten Reininghaus und Smart City sei die Sache schon am weitesten gediehen. Im Mittelpunkt stehen hier Energie und Mobilität. „Zivilrechtliche Verträge mit den Investoren regeln dabei jene Dinge, die hoheitlich nicht regelbar sind“, sagt Werle. Den Grundlagenvertrag gebe es bereits, der Flächenwidmungsplan sei geändert, das Konzept beschlossen. „Jetzt geht es noch um Details, im November soll der Bebauungsplan beschlossen werden.“ Bis dahin tüfteln auch in Graz noch Anwälte an rechtlichen Feinheiten. Auch Werle betont, dass es gelte, „Nutzungshemmnisse zu beseitigen“ und für Kosten, die der Öffentlichkeit entstehen, „das Verursacherprinzip in die Raumordnung hineinzubringen“ – dass es aber keine Junktimierung mit der Widmung geben dürfe: „Juristisch muss das sauber getrennt sein, das ist die Herausforderung.“
In der Theorie ist die Trennlinie klar: Die Raumordnung ist eine hoheitliche Aufgabe, eine Umwidmung muss erfolgen, wenn Bedarf besteht und die Voraussetzungen vorliegen. Und nicht nur, weil ein Investor sich das wünscht. In der Praxis gestaltet sich die Trennung dann doch schwieriger – eben weil es faktisch darum geht, mithilfe des Investors die Voraussetzungen für das Bauvorhaben erst zu schaffen. Jedenfalls müsse es sich um eine Umwidmung handeln, die auch der Gemeinderat wolle, sagt Werle. Pekar formuliert es so: Die Verwendbarkeit der Fläche für ein entsprechendes Vorhaben müsse „raumordnungsfachlich begründet“ sein.
Pflicht zur Gleichbehandlung
Eine andere Frage ist, welcher Beitrag einem Projektwerber abverlangt werden kann. Keinesfalls mehr, als die konkreten Folgekosten ausmachen – so viel steht fest. Sonst gibt es bislang nur eine Regel: Die Stadt muss alle Vertragspartner gleich behandeln. Erich Thewanger, Partner bei KPMG, meint deshalb, es brauche eine Methodologie, aus der sich ableiten lässt, was jeweils angemessen und kaufmännisch vertretbar ist. Was ihm vorschwebt, ist eine „externe Objektivierung“ – auch zum Schutz der Entscheidungsträger, „damit sie sich rechtfertigen können, wenn später jemand sagt: ,Warum habt ihr nicht das Doppelte ausverhandelt?‘“. Er denke darüber nach, wie so etwas funktionieren könnte, sagt Thewanger. Aus seiner Sicht ist die jetzige Regelung aber „der berühmte Schritt in die richtige Richtung“.
Doch zurück zur Idee der Gewinnabschöpfung: Bis zu einem gewissen Grad passiert das ohnehin – über die Steuern, die anfallen, wenn der Projektwerber den Aufwertungsgewinn realisiert, sei es über Mieteinnahmen, sei es beim Verkauf. „Aufwendungen schmälern aber die steuerpflichtigen Erträge“, meint Steuerberater Thewanger. Hat der Investor für Infrastruktur gezahlt, hat er weniger Gewinn zu versteuern.