Umweltschutz: Wo geht’s zum Recht auf saubere Luft?

presse-logoDas Europarecht zwingt möglicherweise zum Umdenken bei der Frage der Durchsetzbarkeit von Umweltschutzstandards durch Einzelne in Österreich.

Eva Schulev-Steindl, Gerhard Schnedl, Marlies Meyer  (Die Presse)

Gibt es ein Recht auf saubere Luft? Wo, wenn nicht in Graz sollte diese Frage diskutiert werden? Gilt doch die zweitgrößte Stadt Österreichs als Feinstaub-Hochburg. Seit Jahren werden hier die Grenzwerte regelmäßig und deutlich überschritten. Zwar hat die EU-Kommission vor Kurzem ein Vertragsverletzungsverfahren (2008/ 2183) vorerst fallen lassen; allein heuer hat es aber schon wieder an 28 Tagen Grenzwertüberschreitungen gegeben. Dadurch ist das nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) zulässige Jahreskontingent in Bezug auf Graz bereits erschöpft.

Große Hoffnungen sind  auf das Europarecht gerichtet. Hat doch der EuGH im Herbst letzten Jahres (am 19.November, C-404/13– Client Earth) festgehalten, dass die Rechtsprechung in der Sache Janecek (C-237/07) auf die aktuelle Rechtslage übertragbar ist. Wer unmittelbar von Grenzwertüberschreitungen betroffen ist, hat daher einen Anspruch auf Erstellung und Verbesserung eines Luftreinhalteplans (gemäß Art23 der RL 2008/50/EG) und muss ihn gegenüber den nationalen Behörden– gegebenenfalls unter Anrufung der Gerichte – durchsetzen können.

Sollte nationale Rechtstraditionen Probleme beim Zugang zu Gerichten bereiten, leistet die Aarhus-Konvention Schützenhilfe. Ist doch „access to justice“ in Umweltsachen eines ihrer Kernanliegen und hat der EuGH in einem Leading case (8.März 2011 C 240/09 – „Slowakischer Braunbär“) festgestellt, dass die Aarhus-Konvention einen integralen Bestandteil des EU-Rechts bildet und zum effektiven Schutz von Unionsrechten eine „aarhuskonforme Auslegung“ des nationalen Rechts nötig ist. Dass Österreich mit der vollständigen Umsetzung der Konvention in Verzug ist, sei nur am Rand angemerkt (Mahnschreiben der EU-Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren 2014/ 4111 vom 11.Juli 2014).

Erforderlichenfalls muss – wie Ulrike Giera (vorm. Boku Wien) und Teresa Weber (Uni Salzburg) beim Umweltrechtsforum betonten– zur Durchsetzung unionsrechtlich garantierter Individualrechte die traditionell restriktive Auffassung aufgegeben werden, subjektive Rechte stünden nur spezifisch Betroffenen zu. Auch dass nach heimischer Rechtstradition keine Rechtsmittel zur Durchsetzung allfälliger Ansprüche auf Erlassung von Plänen und Programmen existieren, darf einer effektiven Durchsetzbarkeit des Rechts auf saubere Luft nicht entgegenstehen.

Wie Waltraud Petek (Umweltministerium) berichtet, wird im Zuge legistischer Reformpläne zur verbesserten Umsetzung der Aarhus-Konvention überlegt, ob zur Überprüfung von nicht normativen Plänen und Programmen das neue Instrument der Verhaltensbeschwerde (Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG) herangezogen werden kann. Damit könnte etwa eine Überprüfung bei Säumnis in Bezug auf nicht normative Maßnahmen nach dem IG-L vorgesehen werden.

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Univ.-Prof. Dr. Eva Schulev-Steindl und Ass.-Prof. Dr. Gerhard Schnedl lehren am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz, Dr. Marlies Meyer arbeitet im Grünen Klub im Parlament.

 

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