VwGH Judikatur/Verfahrensrecht: Verhandlungs- und Begründungspflicht eingemahnt

fachgruppe verfahrensrechtDer Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 24.02.2015, Ra 2014/19/0171, neuerlich mit der Verpflichtung der Verwaltungsgerichte zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Begründungspflicht von Erkenntnissen auseinander gesetzt.

Auch wenn diese Entscheidung in Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) ergangen ist, scheinen die in dieser Entscheidung festgelegten Kriterien für die Arbeit der Gerichte von genereller Bedeutung zu sein.


Unter Verweis auf seine Entscheidung vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 u.a., kommt der VwGH zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung folgende Kriterien beachtlich sind:

 

  1. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen.
  2. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
  3.  In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
  4. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
    Auch nach der Rechtsprechung des EGMR besteht in Verfahren betreffend „civil rights“ vor dem ersten und einzigen Gericht ein Anspruch auf eine öffentliche mündliche Verhandlung, außer wenn außergewöhnliche Umstände deren Entfall rechtfertigen.In einem weiteren Punkt enthält das Erkenntnis ausführlichen Erläuterungen sowie Judikatur- und Literaturhinweise zur Auslegung des § 29 VwGVG und der dort festgelegten Begründungspflicht(z.B. Erkenntnisse vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076, vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0069, vom 28. November 2014, Ra 2014/01/0085, Erkenntnisse vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0112, vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/03/0038, vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0097 und Ra 2014/18/0108).
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