Fragwürdige Instrumente

Logo-der_spiegel.svgRechtsgutachten für Familiengerichte weisen oft eklatante Mängel auf

Gesetzliche Standards fehlen. Die Regierung greift das Thema auf – aber nur halbherzig.

Melanie Amann,  Ralf Neukirch (Der Spiegel)

„Angesichts der Tragweite der Aussagen in und Schlussfolgerungen aus einem familienpsychologischen Gutachten wäre es zu erwarten, dass diese Gutachten besonders hohe methodische Standards aufweisen“, heißt es einer Studie der Fernuniversität Hagen. „Dies  ist jedoch in der untersuchten Stichprobe bei einem erheblichen Teil der Gutachten nicht zu beobachten.“

Richter dürfen sich Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen

Während in Deutschland die Frage, wer Autos untersuchen darf, im „Kraftfahrsachverständigengesetz“ geregelt ist, gibt es für Gutachter in Kindschaftsfällen keine speziellen Vorgaben, nur die Grundregeln der Zivilprozessordnung. Die verlangt diesen Gutachtern keinen spezifischen Studienabschluss ab – nicht einmal Sachkenntnis.

„Richter dürfen sich Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen“, sagt Stefan Heimann, Familienrichter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. „Der  Gesetzgeber setzt großes Vertrauen in ihre Urteilskraft, wenn es um die Qualität von Expertisen geht.“ Leider seien nicht alle Richter dafür hinreichend  ausgebildet.

Dabei wäre eine bessere Qualifizierung der Richter ein wesentlicher Schritt, um die Schäden durch schlechte Gutachter zu reduzieren. „Regelmäßige,  bligatorische Fortbildungen für die Richter halte ich für unverzichtbar“, sagt der Gründer und langjährige Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags, Siegfried Willutzki.

Gutachter selbst halten die Debatte über ihre Zunft  für übertrieben. „Es ist ein Hype im Gange, der unserer Arbeit nicht gerecht wird“, sagt Rechtspsychologe Harry Dettenborn, bis 2004 Inhaber eines Lehrstuhls an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Von Einzelfällen wird auf den ganzen Berufsstand geschlossen.“

Doch sogar er schätzt, dass jedes zehnte Gutachten schlecht sein dürfte.

Zusammenfassung  aus: DER SPIEGEL Printausgabe 2/2015

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