VfGH Judikatur/ Vergaberecht

Da die Revision nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist, ist das Verwaltungsgericht Wien im vorliegenden Fall nicht letztinstanzliches Gericht iSd Art. 267 Abs. 3 AEUV iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG. Ob die Entscheidung über eine Frage der Auslegung des Art. 45 Abs. 2 Vergabe-RL für das Verwaltungsgericht erforderlich und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen war, unterfällt daher hier nicht dem Schutz von Art. 83 Abs. 2 B-VG.

Die den Verfassungsgerichtshof bei den Erkenntnissen  VfSlg 17.214/2004 und  VfSlg 17.865/2006 leitenden Überlegungen sind auf das durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51/2012, eingeführte Rechtsmittel der Revision an den Verwaltungsgerichtshof übertragbar. Das zugrunde liegende Modell der Revisionszulassung ist in den hier wesentlichen Punkten dem System der Grundsatz- und Zulassungsrevision nach der ZPO nachgebildet (vgl. die Erläut. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16; Thienel, Die neue Rolle des Verwaltungsgerichtshofes im Verhältnis zu den Landesverwaltungsgerichten, in: Bußjäger/Gamper/Ranacher/Sonntag [Hrsg.], Die neuen Landesverwaltungsgerichte, 2014, 201 [212 ff.]).

Eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Satz 1 B-VG nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Wie für den Obersten Gerichtshof (vgl. OGH 15.12.1997, 1 Ob 247/97y; Schima, Art267 AEUV, in: Mayer/Stöger [Hrsg.], EUV/AEUV, 2012, Rz 108 f.) besteht auch für den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich die Möglichkeit (und gegebenenfalls die Verpflichtung), eine Revision zuzulassen, um dem Gerichtshof der Europäischen Union eine entscheidungsrelevante unionsrechtliche Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, indem er (vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte) Zweifel über die Auslegung von Unionsrecht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung qualifiziert. Insofern sind vor dem Hintergrund der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Verwaltungsgerichte nicht als letztinstanzliche Gerichte iSd Art. 267 Abs. 3 AEUV anzusehen, weil deren Entscheidungen noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden können.

Anders gelagert sind jene – im vorliegenden Verfahren nicht einschlägigen – Fälle, in denen die Revision von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist (vgl. Art. 133 Abs. 4 Satz 2 und Abs 9 Satz 2 B-VG iVm § 25a Abs. 2 und 4 VwGG und Frischhut/Ranacher, Unionsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, in: Larcher [Hrsg.], Handbuch Verwaltungsgericht, 2013, 64 [96]).

VfGH vom 26.9.2014, E304/2014

 

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