Ein Land sieht rot: Österreicher werden immer aggressiver

KURIERImmer mehr Menschen lassen ihrem Zorn freien Lauf – nicht nur anonym im Web, sondern vor Gericht und in den Ämtern. Die Behörden ziehen die Rollbalken herunter.

90 Richter und Staatsanwälte werden pro Jahr bedroht, fünf davon tätlich angegriffen. Gerichtsbesucher schleudern Akten auf den Boden, schlagen mit Krücken um sich, schreien, spucken, toben. 1137-mal im Jahr zuckt jemand in einem Arbeitsamt aus und attackiert die Beamten, 706 Ordner oder Securitys wurden (abgesehen von Wien, wo das nicht erfasst wird) 2013 attackiert.

„Die Bedrohungen nehmen zu“, sagt der Innsbrucker Strafrichter Klaus Jennewein. Es sind in der Regel die „klassischen Justizopfer“ bzw. jene, die sich als solche fühlen. „Richter entscheiden nach objektiven Beweisergebnissen, der Betroffene hat das aber subjektiv ganz anders erlebt.“

85.352.368Gerichtsgebäude sind Orte, an denen die Emotion eine besondere Rolle spielt. Die Kriminalsoziologen Reinhard Kreissl und Alexander Neumann orten das Gericht als „geeigneten Schauplatz für die Inszenierung möglichst weithin sichtbarer ,Aktionen der Rache‘, der Kompensation subjektiv erfahrener Ohnmacht, der aggressiven Selbstjustiz.“

Die Behörden setzen auf Schulungen der Mitarbeiter über deeskalierenden Umgang mit aufgebrachten Bürgern. Und sie lassen die Rollbalken herunter. Im Wiener Straflandesgericht, für das dessen Präsident Friedrich Forsthuber seit seinem Amtsantritt 2010 ein eigenes Polizeiwachzimmer fordert, bestehen acht Betretungsverbote. In den Wiener Bezirksgerichten gibt es insgesamt 55 Hausverbote, wobei manchen Personen gleich das Betreten sämtlicher Bezirksgerichte verwehrt wird.

Eine Häufung ist seit dem Amoklauf 2009 im Bezirksgericht Hollabrunn zu beobachten, wo ein Lehrer eine Gerichtsmitarbeiterin und zweifache Mutter erschossen hatte. „Manche Droher beziehen sich auf Hollabrunn“, sagt Beatrix Engelmann, Vizepräsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien: „Da heißt es dann: ,Werdet’s schon sehen, dann geht’s euch wie in Hollabrunn‘.“ Dazu werden Galgen gezeichnet, es wird angekündigt, dass man das Leben eines Richters vernichten und ein Blutbad anrichten werde. „Damit muss jeder leben“, sagt Richter Jennewein.

Musterverfahren für rasche Betretungsverbote

Im März 2011 erschoss ein Landwirt auf der BH Klosterneuburg einen Beamten und nahm eine Mitarbeiterin stundenlang als Geisel, ehe er sich selbst richtete. Bezirkshauptmann Wolfgang Straub entwickelte daraufhin ein Musterverfahren für Betretungsverbote, das im Bedarfsfall rasch umsetzbar ist.

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