Richter müssen Hundegebell auf 30 DVDs ansehen

nachbarschaftsstreit-1-1-102321_LStreit über Lärm. Gerichte wiesen Unterlassungsklage vorschnell ab, entschied der OGH.

von Benedikt Kommenda  (Die Presse)

Wenn Hunde auffallend laut sind und ihre Besitzer jede Rücksichtnahme auf die Umwelt vermissen lassen, können Nachbarn mit Unterlassungsklage gegen die Besitzer vorgehen. Theoretisch. Praktisch erweist sich der Schutz vor Immissionen in Form von Hundegebell allerdings mitunter als schwierig. Das zeigt ein Streit zwischen Nachbarn in Wien Floridsdorf, wo eine Hauseigentümerin die gesamte Nachbarschaft seit 2009 durch einen Hund terrorisiert sieht. Der Fall ging bereits durch drei Instanzen und wurde jetzt an die zweite Instanz zurückverwiesen. Denn noch ist unklar, ob der Hund wirklich zu laut und zu lang bellt und jault, wie die Klägerin findet.

 Zehn Minuten Dauerbellen

Zum Beweis legte die Klägerin eine Sammlung von mehr als 30 DVDs vor, auf denen der Hund zu sehen und zu hören sein soll. Ganz genau weiß man das bis dato noch nicht, denn nach zwölf der vorgelegten Datenträger reichte es dem Bezirksgericht Floridsdorf. Dies nicht bloß wegen der Lautstärke, sondern deshalb, weil die DVDs mangels Unmittelbarkeit keine taugliche Grundlage für irgendwelche Feststellungen böten.

Also beschränkte sich das Bezirksgericht auf die Feststellung, das Gebell unterscheide sich nicht von dem anderer Hunde in der Umgebung, und wies die Klage der Nachbarin ab. Diese bemängelte beim Landesgericht für Zivilrechtssachen, dass die erste Instanz nicht das gesamte Material abgespielt hätte. Doch auch die zweite Instanz schaute bloß zwei weitere DVDs (teilweise) an, bestätigte aber die abschlägige Entscheidung. Warum es die übrigen DVDs für nicht relevant hielt, sagte das Gericht nicht.

Vorgreifende Beweiswürdigung

Also musste erneut das Verfahren beanstandet werden, und der Oberste Gerichtshof bestätigte: Auch das Berufungsurteil leidet unter einem Begründungsmangel. Der OGH gibt zu erkennen, dass die restlichen DVDs wohl auch noch betrachtet werden müssen; denn einen Beweis mit der Begründung nicht aufzunehmen, er werde ohnehin unergiebig sein, stelle eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung dar (3 Ob 93/14v).

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