VwG Judikatur/ Vergaberecht

  1. Wesentliche und unwesentliche Kalkulationsmängel
  2. Kein Erfordernis eines Sachverständigen

1. Kalkulationsmängel sind nach ständiger Judikatur unbehebbar

Einem aktuellen Erkenntnis des VGW zu Folge genügt das jedoch nicht, um das betroffene Angebot deswegen ausscheiden zu können. Geringfügige Kalkulationsmängel führen nicht zum Ausscheiden.

Im Anlassfall hatte der Antragsteller ein Angebot für Malerarbeiten gelegt. Dieses wurde vertieft geprüft und unter anderem deswegen ausgeschieden, weil in der Kalkulation einzelne Zeitansätze fehlten oder unzureichend waren und der Materialeinsatz in einzelnen Bereichen zu gering kalkuliert war.

Das VGW hat in seinem Erkenntnis dargelegt, dass nicht jeder Kalkulationsmangel zum Ausscheiden des Angebotes führt. Unwesentliche bzw geringfügige Kalkulationsmängel führen nicht zum Ausscheiden des Angebotes. Unwesentlich sind Kalkulationsmängel etwa dann, wenn deren Auswirkungen lediglich dem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmerrisikos zur Last fallen und entweder lediglich seinen Gewinn mindern oder den Rahmen nicht übersteigen, der durch das allgemeine Unternehmerrisiko bereits berücksichtigt ist.

Voraussetzung eines Ausscheidens sei stets die Beeinträchtigung des freien, ungehinderten und lauteren Wettbewerbs. Dem Erkenntnis liegt die Idee zu Grunde, dass es die “perfekte Kalkulation” nicht gibt und es damit jeder Auftraggeber in der Hand hätte, ein Angebot wegen Kalkulationsmängel ausscheiden zu können, wenn er nur tief genug prüfe, um solche zu finden. Daher müsse auch die in der Judikatur bisher wenig behandelte Grenze gezogen werden zwischen solchen Kalkulationsmängeln, die wesentlich sind und daher zum Ausscheiden des Angebotes führen, und solchen, die unwesentlich sind und daher, obwohl sie an sich unbehebbare Mängel darstellen, nicht zum Ausscheiden des Angebotes berechtigen.

Gegebenenfalls obliege es dem Auftraggeber, vor einer etwaigen Ausscheidensentscheidung herauszuarbeiten, dass der Kalkulationsmangel signifikante preisliche Auswirkungen zumindest haben kann. Hat der Auftraggeber das nicht getan, so könne diese Prüfung nicht vom Gericht durchgeführt werden, weil es nicht die Aufgabe des Gerichtes sein könne, eine vom Auftraggeber nicht abgeschlossene vertiefte Angebotsprüfung an seiner Stelle abzuschließen.

2. Die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen ist eine Rechtsfrage, die als solche nicht Gegenstand des Sachverständigenbeweises ist

Im Anlassfall ging es um verschiedene Details betreffend angebotene Malerarbeiten. Unter anderem ging es darum, ob Produkte verschiedener Hersteller (zB Glasgewebefaser und Glasgewebekleber) kombiniert werden dürfen und ob die veranschlagte Mindesteinbringmenge eines Imprägniermittels ausreichend ist.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin hatten je einen Privatsachverständigen beigezogen. Die beiden Sachverständigen gaben auf der Grundlage einer ÖNORM einander widersprechende Gutachten ab. Der Antragsteller beantragte die Bestellung eines Sachverständigen durch das Gericht.

Dem VGW zu Folge lagen jedoch keine technischen Fragen, sondern Rechtsfragen vor. Die ÖNORM und mit ihr die verwiesenen Herstellerangaben waren Teil der Ausschreibungsunterlagen. Damit war die Auslegung der ÖNORM und der Herstellerangaben eine Frage der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen und somit nicht von Sachverständigen, sondern durch das Gericht durchzuführen.

Insbesondere ging die von den beiden Privatsachverständigen behandelte Frage, ob die Malerarbeiten auch mit einer geringeren als der in den Herstellerangaben vorgesehenen Menge an Imprägniermittel fachgerecht durchgeführt werden kann, ins Leere, weil nicht lediglich eine fachgerechte Durchführung der Arbeiten verlangt war, sondern eine den Ausschreibungsbedingungen entsprechende Durchführung, und die in den Herstellerangaben vorgesehene Menge an Imprägniermittel daher verbindlich einzuhalten war.

VGW-123/077/10226/2014; VGW-123/077/10227/2014 vom 6.3.2014

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