Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11.12.2013, Zl. B 777/2013, ist wenig spektakulär: Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt, da spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen im Beschwerdefall nicht anzustellen seien.
Der Beschwerdefall selbst ist aber durchaus von Interesse: Es geht um die Beendigung der Rechtsstellung eines Mitgliedes des UVS Wien – dieser erfüllt die Voraussetzungen eines Tribunals im Sinne des Art 6 EMRK – durch einen Bescheid des Magistrates der Stadt, das ist jene Behörde, die der Richter zu kontrollieren hatte.
Die Vorgeschichte
Für die Überleitung der Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate zu Richtern der (neuen) Verwaltungsgerichte schaffte die Verwaltungsgerichtsbarkeits- Novelle einen Rechtsanspruch. Personen, deren Bewerbung abgelehnt wurde, hatten das Recht, gegen den ablehnenden Bescheid Beschwerde an die Höchstgerichte des öffentlichen Rechts zu erheben.
In einem einzigen Fall in Österreich wurde diese Regelung schlagend. Der Magistrat der Stadt Wien hatte die Überleitung eines Wiener UVS-Richters abgelehnt. Nicht so sehr dieser Umstand ist bemerkenswert, als vielmehr die Art und Weise, wie dieses Verfahren geführt wurde:
Dem UVS-Richter wurde 5 Wochen vor Ablauf der Entscheidungsfrist über die Bewerbung mittels Boten ein Schreiben zugestellt, in welchem 19 Geschäftszahlen des Verwaltungsgerichtshofes und 2 des Verfassungsgerichtshofes angeführt wurden. Ohne jede weitere Erläuterung. Der Richter wurde lediglich aufgefordert, binnen 3 Tagen (!) zu diesen Geschäftszahlen eine Stellungnahme abzugeben.
Ein Gespräch, zu welchem der UVS-Richter wenige Tage später in die Magistratsdirektion vorgeladen wurde, fand nicht statt, weil eine Erörterung der Angelegenheit im Beisein der Personalvertretung vom zuständigen Bereichsdirektor abgelehnt wurde. Ebenso wurde es abgelehnt, einen Antrag auf Gewährung einer längeren Frist zur Abgabe einer umfassenden Stellungnahme entgegenzunehmen.
Der Rechtsanwalt des Richters erstattete daraufhin, nach Ablauf der dreitätigen Frist, dennoch eine umfangreiche Stellungnahme und forderte die Behörde auf, endlich den Gegenstand des Verfahrens zu konkretisieren. Für den Fall, dass die fachliche Eignung in Zweifel gezogen werde, wurde die persönliche Einvernahme, die Einvernahme von Zeugen wie etwa der Mitglieder des Personalausschusses – die Dienstbeurteilungen waren in den letzten 20 Jahren alle positiv gewesen – sowie die Beischaffung von Beurteilungsunterlagen beantragt.
Keinem dieser Anträge wurde nachgekommen und seitens des Magistrates der Stadt Wien ohne weitere Ermittlungen ein negativer Bescheid über die mangelnde fachliche Eignung des UVS-Richters erlassen.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof
Der Rechtsanwalt des Richters brachte daraufhin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein und rügte die Verletzung fundamentaler Rechtsgrundsätze. Das Verhalten des Magistrates der Stadt Wien sei nichts anderes als Willkür. Der negative Bescheid sei nicht einmal vom einem dafür ermächtigten Beamten unterschrieben worden.
Die Beschwerde weist auch darauf hin, dass die Vorgangsweise des Magistrates der Stadt Wien gegen die Empfehlungen des Europarates über die richterliche Unabhängigkeit verstoße: Gemäß Punkt 50 dieser Empfehlungen darf eine auf Dauer erfolgte Ernennung eines Richter nur aus schwerwiegenden disziplinarrechtlichen Gründen oder bei strafrechtlichen Vergehen vorzeitig beendet werden oder falls der Richter aus anderen Gründen nicht mehr in der Lage ist seine Funktion zu erfüllen.
Die Entscheidung
„Die zuständige … Kammer … ortet in ihrem Urteil eine Reihe von Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien. Die Tatsache, dass über die Entlassung des Richters nicht von einem unabhängigen und unparteilichen Tribunal befunden wurde, stellt dabei den Kern der Kritik dar.“Das berichtete die „Neuen Züricher Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 9. Jänner 2013. Es ging um eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte, welcher die Rechtswidrigkeit der Entlassung eines Richters festgestellt hatte – in der Ukraine.
Im Beschuss des Verfassungsgerichtshofes wird das Beschwerdevorbringen nicht aufgegriffen, sondern die Behandlung der Beschwerde mit Begründung angelehnt, dass „zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.“
Die Auswirkungen
In dem geschilderten Fall geht es nicht darum, ob ein Richter wegen mangelnder Arbeitsleistung seiner Funktion enthoben werden kann, da außer Frage steht, dass eine solche Möglichkeit bestehen muss.
Es geht auch nicht um die Frage, ob eine Amtsenthebung des gegenständlichen Richters grundsätzlich rechtlich zulässig wäre.
Es geht um die viel weitreichendere Frage, ob ein Richter unter Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze ohne gerichtliche Entscheidung sein Amt verlieren darf.