Wien hat ein Problem mit seiner Verfassung

landesgesetzblattWeder das Verwaltungsgericht noch die Landesrechtspfleger finden sich in der Wiener Stadtverfassung

Der aktuelle Entwurf zur Änderung der Wiener Stadtverfassung (MDR – 2846-2012, Stand: 2. September 2013) soll nach seinen Erläuterungen legistische Anpassungen an die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bringen. Das stimmt nur insoferne, als bestehende Sonderbehörden aufgehoben werden. Die Existenz des Verwaltungsgerichtes Wien bleibt der Wiener Stadtverfassung verborgen. Damit ist das Land Wien das einzige Bundesland, welches seinem Verwaltungsgericht keine landesverfassungsrechtliche Grundlage gibt.

Diesen Umstand könnte man allenfalls als Ausdruck einer manifesten Mentalreservation der Wiener Stadtverwaltung gegenüber einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle deuten, in der Praxis dürfte die fehlende Verankerung in der Stadtverfassung für die Rechtmäßigkeit der richterlichen Entscheidungen aber ohne Bedeutung bleiben.

Anders sieht die Sachlage allerdings bei der Einrichtung der Landesrechtspfleger aus. Denn diese sind – anders als ihre Kollegen in der Justiz – keine Justizbeamten, sondern Magistratsbeamte und stehen im Dienststand jener Behörde, deren Entscheidungen sie kontrollieren sollen. Als Magistratsbeamte unterliegen sie den allgemeinen Dienstpflichten der Wiener Dienstordnung.

In diesem Zusammenhang ist die Frage aufzuwerfen, ob die im Wiener Verwaltungsgerichts-Dienstrechtsgesetz enthaltene (einfachgesetzliche) Bestimmung, dass die Landesrechtspfleger bei der Bearbeitung der zugewiesenen Geschäftsstücke nur an die Weisungen des zuständigen Richters gebunden sind, eine ausreichende Rechtsgrundlage für ihre (weisungsfreie) Tätigkeit bildet, oder ob hier nicht auch eine entsprechende Bestimmung in die Wiener Stadtverfassung aufgenommen werden müsste.

Auch Disziplinaranwalt fehlt verfassungsrechtliche Grundlage

Noch problematischer erweist sich die Gestaltung des Disziplinarverfahrens für die RichterInnen des Verwaltungsgerichtes Wien. Schon die Einsetzung eines Magistratsbediensteten als Ankläger (Disziplinaranwalt) erscheint mit der Unabhängigkeit des Gerichtes unvereinbar. Wenn dieser Disziplinaranwalt aber – anders als im bisherigen Wiener UVS-Dienstrechtsgesetz – nicht einmal mehr durch eine Verfassungsbestimmung weisungsfrei gestellt wird, drohen allfällige Disziplinarverfahren von vornherein undurchführbar zu werden.

Damit zeichnet sich ab, dass sich das Verwaltungsgericht Wien bereits zu Beginn seiner Tätigkeit – neben den im Anfechtungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof schon aufgeworfenen Fragen- auch noch mit weiteren verfassungsrechtlichen Problemstellungen wird auseinander setzen müssen.

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