Cicero 2.0: Gerichtsprozesse im Auge der Öffentlichkeit

Durch die moderne Berichterstattung über Verfahren ergeben sich neue Herausforderungen für die Öffentlichkeitsarbeit.

von Patrick Minar  (Die Presse)

Durch die Unterstützung einer juristischen Strategie durch gezielt eingesetzte Medienarbeit wird dabei versucht, einerseits die Reputation der involvierten Personen zu schützen, andererseits Deutungshoheit über das Verfahren zu gewinnen und somit die juristische Auseinandersetzung zu beeinflussen.

Woche für Woche liest man aus geheimen Einvernahmeprotokollen, Beschlüssen zur Hausdurchsuchung oder anderen Akten in Medien. Jüngst konnte ein Beschuldigter im Telekom-Prozess seine Anklageschrift in einer Tageszeitung lesen, noch bevor sie ihm offiziell zugestellt war.

All das beeinflusst dramatisch Atmosphäre und Rahmenbedingungen, innerhalb derer dann später ein Prozess abläuft.

Auch unmittelbare Prozess-Teilnehmer haben sich auf das Phänomen „Cicero 2.0“ bereits gut eingestellt. Immer öfter unterstützen Staats- und Rechtsanwälte ihre Anklagevorträge und Plädoyers durch professionell gestaltete Powerpoint-Präsentationen und wenden sich dabei eindeutig an die anwesenden Journalisten und somit an die Öffentlichkeit und nicht an das Gericht. Gut aufbereitete Presseunterlagen werden im Gerichtssaal verteilt. Alles für ein Ziel: Gestaltung der öffentlich-medialen Darstellung des Verfahrens.

Bisher fehlt hier jeder rechtliche Rahmen, um mit dieser neuen Entwicklung umgehen zu können. Den betroffenen Richtern bleibt oft nur die Bitte um verantwortungsvolles Agieren der Journalisten. Die Leserschaft der Liveticker ist groß, die Möglichkeit, dort auch Kommentare zu posten, schafft wiederum neue Bühnen der Meinungsbildung und -beeinflussung. In gewissen Teilen ist hier eine Form der Trivialisierung und Inszenierung zu beobachten, die eher an Brot und Spiele, denn an Berichterstattung ohne Zorn und Eifer erinnert.

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