Bürgerrechte: Wer fürchtet sich vor der Gesetzesbeschwerde?

Die Annahme, Gerichte würden „richtiger“ als Verwaltungsbehörden entscheiden, ist falsch.

 BERNHARD MÜLLER (Die Presse)

In Deutschland kann jeder, der behauptet, in einem seiner Grundrechte oder bestimmter grundrechtsgleicher Rechte durch die öffentliche Gewalt (Gesetzgeber, Regierung/Behörden, Gerichte) verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben. Diese dient nicht nur der Sicherung und Durchsetzung subjektiver Rechtspositionen, sondern auch der Einhaltung objektiven Verfassungsrechts.

Sieht man von politischen Interventionen ab, ist nicht verständlich, warum ein Richter „richtiger“ als ein Behördenjurist entscheiden sollte. Abhängigkeit in der Verwaltung ist nicht gleichbedeutend mit „Fehleranfälligkeit“; umgekehrt schützt Unabhängigkeit doch nicht vor Fehlern! Nur beim Fehler des OGH, der sein Urteil auf Basis eines verfassungswidrigen Gesetzes fällt und die Verfassungswidrigkeit nicht erkennt, soll der Einzelne nichts unternehmen können.

Außer, dass alles immer so war und nichts geändert werden soll, fehlt es daher an überzeugenden Argumenten, warum es keine Gesetzesbeschwerde geben sollte. Wie das Duell der beiden Höchstgerichte ausgeht, bleibt spannend. Was immer das Ergebnis ist: Es bleibt zu hoffen (Stichwort: Kompetenzverschiebung der Bescheidbeschwerden zum VwGH), dass ohne die in Österreich fast zwingenden „Tauschgeschäfte“ eine sachgerechte, an den Bedürfnissen der Bürger orientierte Lösung erfolgt!

Priv.-Doz. Dr. Bernhard Müller wurde 2009 an der Uni Wien für „Öffentliches Recht“ habilitiert und leitet das Team „Öffentliches Wirtschaftsrecht“ bei Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH.

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