EGMR: Vorlesen nur des Urteilstenors und spätere Zustellung des vollständigen Urteils als Verletzung von Art. 6 EMRK

Vorlesen nur des Urteilstenors und spätere Zustellung des vollständigen Urteils als Verletzung von Art. 6 EMRK !

Quelle: NJW 2009 Heft 39 2873

1. Das in Art. 6 I EMRK garantierte Recht auf ein faires Verfahren nimmt in einer demokratischen Gesellschaft einen so herausragenden Platz ein, dass eine restriktive Auslegung dieser Vorschrift mit ihrem Ziel und Zweck nicht vereinbar ist.

2. Art. 6 I EMRK will mit der Garantie einer Öffentlichkeit des Verfahrens sicherstellen, dass die Öffentlichkeit die Justiz kontrollieren kann, um das Recht auf ein faires Verfahren zu garantieren.

3. Im vorliegenden Fall hat das Gericht in der öffentlichen Verhandlung nur den Urteilstenor vorgelesen und das begründete Urteil den Parteien später zugestellt. Das auf der Geschäftsstelle niedergelegte vollständige Urteil mit Begründung konnten grundsätzlich nur die Beteiligten einsehen. Das verletzt Art. 6 I EMRK, der eine öffentliche Verkündung des Urteils vorschreibt.

EGMR I. Sektion, Urteil vom 17. 1. 2008 – 14810/02 (Ryakib Biryukov/Russland)

Teilen mit: