Lothar de Maizière hält DDR nicht für einen Unrechtsstaat

Lothar de Maizière
Image via Wikipedia

„Das eigentliche Problem waren das politische Strafrecht und die fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit.“

Politiker, Juristen und Opfer widersprechen.

„Damit begründet de Maizière doch, warum die DDR ein Unrechtsstaat war“, wundert sich SED-Forscher Schroeder. Einen Rechtsstaat kennzeichne eben, dass staatliches Handeln überprüft werde und Bürger sich gegen staatliches Unrecht wehren können.

Von Lars-Broder Keil

Quelle: DIE WELT

Berlin – Die Äußerung des letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière (CDU), die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, löst Unverständnis aus. „Ich weiß nicht, was ihn da geritten hat“, sagte Klaus Schroeder, Wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat, der WELT. Als Anwalt von Regimegegnern müsste de Maizière es eigentlich besser wissen. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann widersprach.

De Maizière hatte in der „Passauer Neuen Presse“ anlässlich des 20. Jahrestags des Volkskammer-Beschlusses zum Beitritt zur Bundesrepublik gesagt: „Ich halte diese Vokabel für unglücklich. Die DDR war kein vollkommener Rechtsstaat, aber auch kein Unrechtsstaat. Der Begriff unterstellt, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, unrecht war.“ Wenn das so gewesen wäre, hätte im Einigungsvertrag nicht vereinbart werden können, dass Urteile aus dieser Zeit weiter vollstreckt werden können, so der CDU-Politiker. Auch in der DDR sei Mord Mord und Diebstahl Diebstahl gewesen. „Das eigentliche Problem waren das politische Strafrecht und die fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit.“

„Damit begründet de Maizière doch, warum die DDR ein Unrechtsstaat war“, wundert sich SED-Forscher Schroeder. Einen Rechtsstaat kennzeichne eben, dass staatliches Handeln überprüft werde und Bürger sich gegen staatliches Unrecht wehren können. Klagen gegen behördliche Entscheidungen waren aber in der DDR nicht vorgesehen. Die Politik habe das Recht bestimmt: Was heute recht war, konnte morgen unrecht sein. Schroeder: „Es herrschte einfach Willkür.“ Das finden auch Neumann und Opferverbände: Die DDR habe ihr Volk systematisch bevormundet und eingesperrt.

Beim Streit über die Frage, was die DDR war und was von ihr bleiben kann, geht es um die Deutungshoheit der Geschichte und um das Bestreben, nach der Erinnerung an das NS-Regime nicht dauerhaft noch eine Diktatur vorgehalten zu bekommen. Im vergangenen Jahr eröffnete Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Debatte. Zuletzt lehnten vor allem Politiker der Linken in Nordrhein-Westfalen den Begriff Unrechtsstaat ab sowie die Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl, Luc Jochimsen – alles gebürtige Westdeutsche. Aber auch Parteichefin Gesine Lötzsch argumentiert gern, dass es diesen Begriff im Völkerrecht nicht gibt.

„Es ist richtig, dass dies kein juristischer Terminus ist“, sagte Staatsrechtler Rupert Scholz dieser Zeitung. Es sei jedoch spitzfindig, den Charakter der DDR rein juristisch sehen zu wollen. „Das war eine Diktatur, die rechtsstaatliche Prinzipien ignorierte.“ Dass Mord und Diebstahl geahndet wurden, ändere daran nichts. Scholz rät, am Begriff festzuhalten: „Er definiert das DDR-System treffend.“ lbk

Teilen mit: