Arbeitnehmerentsendung: EuGH-Urteil zur Verhältnismäßigkeit von Sanktionen

Sanktionen bei Meldeverstößen im Zuge der Arbeitnehmerentsendung müssen verhältnismäßig sein. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) gestern in einem Urteil zum österreichischen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz erneut festgestellt. Das österreichische Gericht kann demnach eine nationale Sanktionsregelung anwenden, die gegen die EU-Entsenderichtlinie verstößt, sofern es die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen sicherstellt.

In dem Rechtsstreit (C-205/20) geht es um eine Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei, die Arbeitnehmer an eine Gesellschaft mit Sitz in Fürstenfeld entsandt hat. Nach Kontrollen verhängte die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld 2018 eine Geldstrafe in Höhe von 54.000 Euro gegen das Unternehmen wegen der Nichteinhaltung mehrerer Verpflichtungen, unter anderem zur Aufbewahrung und Zurverfügungstellung von Lohn- und Sozialversicherungsunterlagen. Das Unternehmen erhob gegen die Strafe Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegte Zweifel an der Vereinbarkeit von Sanktionen nach dem in Österreich geltenden LSD-BG und dem in Art. 20 der Richtlinie 2014/67 verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da bereits vom EuGH festgestellt worden war, dass manche Teile des im LSD-BG vorgesehenen Sanktionssystems nicht verhältnismäßig ist.

Bereits zuvor wurde mit dem Beschluss des EuGH C-645/18 vom 19.12.2019 ausgesprochen, dass Art. 20 der Richtlinie 2014/67/EU so auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Meldung von Arbeitnehmern und die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung hoher Geldstrafen vorsieht,

  • die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen,
  • die je betroffenem Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden und
  • zu denen im Fall der Abweisung einer gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt.

Da die betroffene Regelung jedoch vom österreichischen Gesetzgeber zunächst nicht geändert wurde, wurde diese Vorabentscheidungsersuchen am 08.05.2020 zu der damals noch anzuwendenden Rechtslage gestellt. Nunmehr wurde auch abweichend von der bisherigen Rsp vom EuGH ausgesprochen, dass Art. 20 der Richtlinie 2014/67 unmittelbare Wirkung hat, soweit darin vorgesehen ist, dass die Sanktionen verhältnismäßig sind. Der Bestrafte kann sich daher vor dem nationalen Gericht auf diese Bestimmung berufen, wenn der Mitgliedstaat diesen Artikel unzulänglich umgesetzt hat.

Hier geht’s zur Pressemitteilung …

Hier geht’s zur Entscheidung C-205/20 vom 08.03.2022 …

Hier geht’s zum Beitrag im orf.at …

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