Eine Sozialbetrugswelle beschäftigt die Behörden. Deutschland macht vor, wie man Scheinfirmen ausbremsen kann
In Österreich gibt es seit 2016 eine Auftraggeberhaftung, um das Problem zu begrenzen: Wer eine Scheinfirma beauftragt, haftet dafür, dass Mitarbeiter dort korrekt entlohnt werden. Auch eine Haftung für Versicherungsbeiträge ist fixiert. In der Praxis deutet sich an, dass das junge Gesetz leicht auszuhebeln ist. In dem aktuellen Fall, in dem die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, gibt es Scheinunternehmerketten: Ein von einem österreichischen Unternehmen beauftrage Subfirma hat sich selbst einer Scheinfirma bedient, um Fassadenarbeiten zu erledigen. Mehrere Arbeiter sagen, die inzwischen insolvente Scheinfirma habe sie nicht richtig entlohnt. Für den Lohn haften müsste laut Gesetz aktuell nur die beauftragte Subfirma. Aber dort gibt es auch nichts zu holen, sie ist selbst insolvent.
Die Generalunternehmerhaftung würde dagegen weit oben ansetzen: bei jener Baufirma, die als Erste in der Kette den Auftrag bekommt. Meist sind das bekannte österreichische Bauunternehmen. Aber ist eine solche Haftung einer Strabag oder Porr zumutbar?
Nein, sagt Christoph Wiesinger, Fachreferent in der Wirtschaftskammer. Den Generalunternehmer in die Pflicht zu nehmen hieße, „ihn zum Sheriff“ zu erklären. Er müsste alle Subfirmen durchleuchten, was in der Praxis unmöglich ist. „Wie will man ausschließen, dass eine Firma, die einen seriösen Eindruck macht, sich nicht nach ein paar Monaten als problematisch erweist?“ Wenn schon staatliche Behörden die Sache nicht in den Griff bekommen, wie sollen das private Baufirmen?
Strikteres Deutschland
Erfahrungen mit dem Thema gibt es in Deutschland. Dort wurde 2001 die Generalunternehmerhaftung eingeführt: Neben Mindestlöhnen haften Baufirmen auch für Versicherungsbeiträge und Beiträge zugunsten der Arbeitnehmer für die Urlaubskasse.
Bei der zuständigen Gewerkschaft, der IG Bau, lobt man das System. „Ein Arbeiter, der in einer Kette bei der siebten Subfirma beschäftigt ist und seinen Lohn nicht bekommt, kann direkt vom Unternehmer ganz oben sein Geld einfordern“, sagt Gewerkschafter Frank Schmidt-Hullmann. Interessanterweise sind auch die deutschen Arbeitgeber im Grunde zufrieden. Einzelnen Unternehmen habe die Haftung zwar mehr Arbeit und etwas höhere Kosten beschert, sagt Philipp Mesenburg vom Zentralverband des Deutsches Baugewerbes. Aber: Die Vergabeketten bei Subunternehmen seien „bereinigt“ worden. Der Wettbewerb laufe sauberer ab. Unternehmen, die alles korrekt machen, seien nicht mehr die Verlierer, weil sie gegen Scheinfirmen ankämpfen.
Ähnlich sieht es der zweite große Arbeitgeberverband, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: Die Baufirmen in Deutschland prüfen aufgrund der Haftung genauer nach, wen sie beauftragen, verlangen von ihren Subunternehmen etwa Lohnunterlagen für Beschäftigte, um dubiose Akteure gleich ausschließen zu können. Die Kehrseite sei ein höherer Kontrollaufwand. Aber: „Dass sich die Baukosten durch die Haftungsregelungen erhöht haben, ist nicht festzustellen.“
Als positiv sieht der Arbeitgebervertreter Mesenburg noch eine weitere Regelung an: Generalunternehmen in Deutschland können die Haftungen, außer sie betreffen Mindestlöhne, ausschließen, indem sie sich von einem externen Unternehmen zertifizieren lassen, dass bei ihnen alles in Ordnung ist. Die Zertifizierungsstellen sind private Unternehmen, die staatlich überwacht werden. Sie durchleuchten die Bauunternehmen, schauen nach, ob Löhne und Abgaben korrekt bezahlt wurden und es sich um echte Firmen handelt. Auch das erhöhe die Sicherheit, so Mesenburg.
Sauberer Wettbewerb
In Österreich ist der Einsatz dubioser Unternehmen unterdessen aus Sicht des Wettbewerbsrechts eine enorme Herausforderung. Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich bei den laufenden Ermittlungen in dem erwähnten Fall von mutmaßlichen Großbetrug intensiv damit, inwieweit österreichische Unternehmen bewusst mit Scheinfirmen zusammenarbeitet haben, um billig Aufträge annehmen zu können.