Streit vor BGH: Wie schnell muss ein Richter arbeiten?

picture alliance / dpa

Eine Gerichtspräsidentin rüffelt einen Richter für sein gemächliches Arbeitstempo – er versteht das als Aufruf zu schludrigen Urteilen. Der Bundesgerichtshof hat einen heiklen Fall im Kollegenkreis zu entscheiden.

 

„Machen Sie mal schneller.“ Den Satz bekommen viele Arbeitnehmer zu hören. Und nicht selten lautet die Antwort: „Dann bin ich aber nicht so gründlich“. Führen Richter und ihre Vorgesetzten so ein Gespräch, ist der Streit allerdings politisch heikel. Richter in einer Demokratie sollen unabhängig entscheiden, und wenn sie zur Urteilsfindung einen Zeugen noch ein drittes Mal befragen wollen, dann dauert es eben länger.

 Auf der anderen Seite: Praktisch alle Gerichte geben an, unter Überlastung zu leiden. Verfahren plätschern oft über Jahre dahin, für Außenstehende ist das oft nicht nachvollziehbar.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich ein Verfahren, das sich nun auch schon wieder lange hinzieht, und in dem der klagende Richter nun auf einen Etappensieg hoffen kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) fällte am Donnerstag zwar noch kein Urteil. Er ließ aber durchblicken, dass er an den Feststellungen der Vorinstanz zweifelt:

Der Fall geht so: Thomas Schulte-Kellinghaus, Richter am Oberlandesgericht in Karlsruhe, wurde 2012 von seiner Chefin, der inzwischen frühpensionierten Christine Hügel, offiziell gerügt. Mit 68 Prozent der durchschnittlich von seinen Kollegen erledigten Fälle liege seine Abarbeitungsquote zu niedrig. Oder einfacher: Er solle bitte mehr Verfahren in der gleichen Zeit zu Ende bringen.

In einem 2016 ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes heißt es, die Wahrung der Verantwortlichkeit von Richtern setze voraus, dass ihnen „ausreichend Zeit zu einer allein an Recht und Gesetz orientierten Bearbeitung des Falles zur Verfügung steht“. Dabei werde stets die konkrete, subjektive Belastungssituation des Richters in den Blick zu nehmen sein. Eine Orientierung allein an vermeintlich objektiven, durchschnittlichen Bearbeitungszeiten genüge dem nicht. In derselben Entscheidung stellten die Richter fest, „dass das gegenwärtige System der Bewertung richterlicher Arbeit nicht unwesentlich nach quantitativen Gesichtspunkten erfolgt und hierdurch zusätzliche Anreize für eine möglichst rasche Verfahrenserledigung auch unter Inkaufnahme inhaltlicher Defizite schafft“.

Nun befand aber der BGH: Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit liege vor, wenn einem Richter ein Pensum auferlegt werde, das „allgemein – also auch von anderen Richtern – nicht mehr sachgerecht zu bewältigen“ sei, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen. Die Anzahl der im Durchschnitt an einem Gericht erledigten Fälle könnte dafür möglicherweise nur ein „Anhaltspunkt“ sein. Denn Verfahren könnten auch nicht sachgerecht abgeschlossen werden.

Artikel lesen:

Im Spiegel …

In der FAZ …

Teilen mit: