Richter wollen Beschuldigte sehen, bevor sie ihr Urteil fällen

Foto: KURIER/Jürg  Christandl
Foto: KURIER/Jürg Christandl

Strafverfügungen: Das neue Modell des Mandatsverfahrens ohne Prozess kommt nicht an.

Ricardo Peyerl (Kurier)

Das so genannte Mandatsverfahren wurde vom Justizministerium gegen heftigen Widerstand von Richter und Rechtsanwälten durchgesetzt. Das Modell beschneide die Rechte von Beschuldigten und unterbinde den persönlichen Eindruck, den sich die Richter von diesen machen.

Das Mandatsverfahren ist „eine Totgeburt“, wie es Richterpräsident Werner Zinkl ausdrückt. Bis Oktober wurden von der Anklagebehörde 433 Anträge auf Erledigung ohne Verhandlung eingebracht. 52 Mal folgten die Richter dem Antrag und erließen ein Strafmandat, statt sich das Käppi aufzusetzen und mündlich ein Urteil auszusprechen.

Britta Tichy-Martin vom Justizministerium gibt zu bedenken, dass noch nicht alle Anträge der Staatsanwälte bearbeitet sind. Es könnten also noch ein paar Strafverfügungen nachkommen. Zinkl hält das Modell in dieser Form trotzdem für entbehrlich. Die Richter stoßen sich auch daran, dass sie nicht selbst die Form der Aufarbeitung von Straffällen wählen können, sondern die Staatsanwälte die Vorgehensweise vorschlagen müssen.

Der Vorsteher des Bezirksgerichts Wien-Meidling, Oliver Scheiber, sieht wenig Bedarf für das Mandatsverfahren. „Bei einem Verkehrsunfall, wenn der Beschuldigte im Ausland wohnt, ist es sicher praktisch.“ Wenn aber jemand eine Viertelstunde vom Gericht entfernt wohnt, dann lädt ihn der Richter lieber persönlich vor. Denn es sei schon ein Nachteil, den Beschuldigten vor der Urteilsfällung nicht gesehen zu haben.

Im Wiener Landesgericht gab es heuer ein einziges Mandatsverfahren. Es ging um Urkundenfälschung, der Beschuldigte lebt im Ausland und bekam mit der Post drei Monate auf Bewährung.

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