Recht und Gerechtigkeit (PiS) heißt die Partei, die jetzt in Polen das Sagen hat – doch für Aufsehen sorgt sie Kritikern zufolge mit dem Gegenteil.
Die Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo habe bereits zweimal gegen das Verfassungsrecht verstoßen, werfen ihr polnische Medien und hochrangige Juristen vor.
Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt beschlossen die Nationalkonservativen nämlich gleich eine umstrittene Gesetzesänderung und begnadigten zudem ein prominentes Parteimitglied. „Bald leben wir in einem totalitären System“, warnte Andrzej Zoll, ehemaliger Präsident des polnischen Verfassungsgerichts, im Gespräch mit der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.
Streit um PiS-genehme Verfassungsrichter
Im Eiltempo setzte die Regierung in Warschau die Möglichkeit einer Neuwahl von fünf Verfassungsrichtern durch – und lehnte damit kurz entschlossen jene Juristen ab, die das alte Parlament in den letzten Tagen seiner Amtszeit für die Posten bestimmt hatte. Denn Szydlos PiS-Partei wollte nach ihrem Wahlsieg Ende Oktober die Nachfolger der bisherigen Richter lieber selbst ernennen.
Präsident Andrzej Duda, der bis zu seinem Amtsantritt ebenfalls der PiS angehörte, verweigerte die Vereidigung der designierten Verfassungsrichter. Damit habe er sich angemaßt, über die Rechtmäßigkeit ihrer Wahl zu urteilen, sagt Zoll. Dieses Recht stehe ihm aber nicht zu, „das fällt in die Kompetenz des Verfassungsgerichts“. Duda sei verpflichtet gewesen, die ursprünglich ernannten Richter zu vereidigen. Der Präsident habe sein Amt missbraucht, und das sei beunruhigend.
Kritiker sehen „Anschlag auf Verfassungsgericht“
Laut dem eilig eingeführten neuen Gesetz dürfen die Nationalkonservativen die fünf Richter zwar ganz legal auswechseln, aber es handle sich dennoch um einen „schändlichen Anschlag auf das Verfassungsgericht“, kritisierte die Opposition nach einem Bericht des Magazins „Newsweek Polska“.
Auch im Ausland wurden die Vorgänge in Polen kritisch beäugt. Die Änderung in der Zusammensetzung des polnischen Verfassungsgerichts untergrabe die Rechtsstaatlichkeit und müsse rückgängig gemacht werden, schrieb der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muiznieks, im Kurzmitteilungsdienst Twitter.
Gesetz durchgepeitscht
Bemängelt wurde auch das Tempo, mit dem die Regierung das Gesetz regelrecht durch das Parlament gepeitscht hatte. Die Abgeordneten debattierten bis in die Nacht.
„Können wir das nicht unter menschlichen Bedingungen zu normalen Zeiten machen – vorbereitet und in frischem Hemd und Socken?“, protestierte Robert Dowhan von der Oppositionspartei Bürgerplattform (PO). Inzwischen haben sowohl die PO als auch der Beauftragte für Bürgerrechte, Adam Bodnar, beim Verfassungsgericht Beschwerde eingelegt.
Skandal um Begnadigung von PiS-Mitglied
Für einen weiteren Eklat gleich in der ersten Regierungswoche sorgte die Begnadigung des prominenten PiS-Mitglieds und ehemaligen Chefs der Antikorruptionsbehörde, Mariusz Kaminski. „Ich habe beschlossen, die Justiz von dieser Angelegenheit zu entbinden“, sagte Duda – und nahm die Sache selbst in die Hand.
Kaminski war im März wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden, hatte dagegen aber Berufung eingelegt. Damit galt er bis zu einem endgültigen Urteil als unschuldig – und wurde vor wenigen Tagen in Szydlos Regierung zum Geheimdienstkoordinator ernannt.
Juristen schlagen Alarm
Duda habe Kaminski gar nicht begnadigen dürfen, weil dieser noch nicht rechtskräftig verurteilt worden sei, monierten Juristen. Damit habe der Präsident ein zweites Mal unrechtmäßig in die Kompetenzen der Richter eingegriffen, sagt Zoll. „Das war ein Anschlag auf die Unabhängigkeit der polnischen Justiz.“
Erst eine Woche ist verstrichen, seit Szydlo in ihrem Regierungsprogramm versprochen hatte: „Schluss mit der Arroganz und dem Hochmut der Regierenden.“ Zoll sieht schon die jüngsten Entwicklungen als ernst zu nehmende Bedrohung für Polen.