Die Vorwürfe gegen die Regierung wegen der jüngsten Richterbestellungen sind nicht ganz fair. Aber sehr verständlich.
Von Andreas Koller
Postenschacher! Mit diesem Vorwurf ist seit Tagen die Regierung konfrontiert. Es geht um die Bestellung von 80 Richtern für das neue Bundesverwaltungsgericht.
Nun wurde die Liste veröffentlicht. Es stellte sich heraus, dass zwei der neuen Richterinnen zuvor in Ministerkabinetten gearbeitet haben. Zwei von 80! Da dies zu wenig skandalträchtig war, kam ein wenig Sippenhaftung ins Spiel: Einer der neuen Richter ist der Sohn einer früheren schwarzen Volksanwältin, der andere der Sohn eines früheren schwarzen Klubdirektors, wurde enthüllt. Na und? Beide erfüllen das Anforderungsprofil für die Richterposten, die übrigens alles andere als glamourös sind. Die Bundesverwaltungsrichter werden in einem ausgedienten Finanzamt in der Wiener Vorstadt residieren, werden im Jahr an die 40.000 Fälle bearbeiten, davon ein Gutteil Asylverfahren, und werden nach dem Beamtenschema bezahlt. Es handelt sich um juristische Knochenjobs.
Ein Blick auf die Fakten ist also nicht wirklich geeignet, den Vorwurf des Postenschachers zu erhärten. Es kommt nicht von ungefähr, dass er von Medien und Opposition dennoch erhoben wurde. Die Öffentlichkeit traut der Regierung offensichtlich gar nicht mehr zu, das Land anders zu regieren als mit parteipolitischen Hintergedanken. Der rotschwarze Proporz durchzieht das Land. Diese Woche einigte sich die Regierung auf eine neue Spitze für den Verwaltungsgerichtshof. Der Präsident ist ÖVP-, die Vizepräsidentin SPÖ-kompatibel. Das alte Spiel.
Bei den jüngsten Richterbestellungen hingegen hat sich die Regierung wirklich um Fairness bemüht – inklusive Ausschreibungsverfahren, Informationsveranstaltungen, Assessment Center und externer Personalberater. Allein: Man nimmt es der Regierung nicht ab.
Was insofern bedauerlich ist, als es sich bei der Einrichtung des Bundesverwaltungsgerichts, der Landesverwaltungsgerichte und des Bundesfinanzgerichts um eine wirklich große Reform handelt. Die neue Gerichtsstruktur ersetzt rund 120 Senate und Ämter, die bisher quer durch Österreich nicht nur Rechtssicherheit geschaffen haben, sondern auch einen kaum durchschaubaren Behörden-Wirrwarr. Die neuen Richter werden unabhängig und frei von politischen Zurufen arbeiten können. Doch niemand redet über die Reform. Alle reden von Postenschacher. Schade. Aber kein Wunder angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte.