Die Gesetze, die (angeblich) niemand wollte

Bild: (c) dapd (Hans Punz)
Bild: (c) dapd (Hans Punz)

Politiker schieben die Schuld für verpfuschte Gesetze gerne auf Legisten. Doch warum passieren Fehler? Und ist es wirklich immer nur ein Versehen?

PHILIPP AICHINGER (Die Presse)

Klar ist, es passieren Fehler, wie Legisten aus verschiedenen Ministerien im Gespräch mit der „Presse“ bestätigen. Vor allem dann, wenn der eigene Minister nach Verhandlungen mit dem Koalitionspartner kurzfristig noch Änderungen wünscht. „Man bekommt am Montag um 21 Uhr die Nachricht, dass bis zum Ministerrat Dienstagfrüh wieder alles geändert werden muss“, sagt etwa ein Legist zur „Presse“ (die befragten Juristen wollten allesamt anonym bleiben). Dazu kommt, dass viele Materien, vor allem im Sozialbereich, tatsächlich hochkomplex sind. „Manche Gesetze werden daher auch nicht besser, wenn man sie länger liegen lässt“, meint ein anderer Legist. Meist findet man die Fehler noch, bevor das Gesetz in Kraft tritt. Aber nicht immer, und manchmal kommen auch erst auf parlamentarischer Ebene die Fehler ins Gesetz, wenn die Ministeriumsvorlage noch einmal modifiziert wird.

 

Politiker lesen Gesetze kaum

In der Regel werden Gesetze von den Legisten in den Ministerien entworfen. Auf parlamentarischer Ebene sind es dann die Experten der verschiedenen Parlamentsklubs, die sich in die Materie vertiefen. Nur selten, wie etwa beim verpfuschten Tranzparenzgesetz für Abgeordnete, entstehen die Gesetze zur Gänze im Hohen Haus. Die Abgeordneten selbst kümmern sich kaum um legistische Feinheiten: „Die Beratungen in den Ausschüssen sind oft nicht sehr lang“, erzählt ein Insider. Das war nicht immer so. So soll etwa der einstige ÖVP-Abgeordnete und Jus-Professor Felix Ermacora in den Ausschüssen die Legisten mit Detailfragen derart gelöchert haben, dass selbst Sektionschefs ins Schwitzen kamen. Bei den aktuellen Regierungsmitgliedern variiert das Interesse an den Gesetzestexten. Staatssekretär Josef Ostermayer oder Justizministerin Beatrix Karl sollen sich intensiv in ihre Gesetze vertiefen. „Aber manchen Ministern muss man erst einmal erklären, was das Paragrafenzeichen bedeutet“, sagt ein Legist.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 15.03.2013) …

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